Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geködert

Geködert

Titel: Geködert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
Vom Netzwerk:
so etwas nicht mehr sagte, war nicht zu überhören.
    Bret gab sich wirklich Mühe zu lächeln, kam aber damit nicht weit.
»Wieso ohne Gräten?« fragte ich.
»Wie Fisch in einem Restaurant«, erklärte sie. »Noch die kleinste Kleinigkeit wird einem abgenommen. Einfach nur genießen.«
Bret sah mich an. Ich lächelte. Bret verzog das Gesicht. Bret sagte: »Um Himmels willen, Bernard, so nimm doch Vernunft an.« Seine Stimme war ruhig, doch der bittere Ton so deutlich, dass Mrs. O’Raffety ihn überrascht anstarrte.
»Wovon redest du eigentlich, Bret?« fragte sie.
Aber er schien sie gar nicht zu hören. Er starrte mich an und sah zorniger aus, als ich ihn je erlebt hatte. Und dann fauchte er mich an: »Du hirnrissiger Trottel! Denk doch mal nach! Denk doch mal nach!« Er erhob sich von seinem niedrigen Sitz und ging aus dem Zimmer.
Niemand sagte etwas. Brets Ausbruch hatte Mrs. O’Raffety in Verlegenheit gebracht, und Buddy hütete sich, Meinungen zu äußern, ehe er ihre kannte. So saßen sie beide da und betrachteten das Blumenarrangement auf dem Tisch, als hätten sie weder Brets letzte Worte gehört noch wahrgenommen, dass er danach das Zimmer verlassen hatte.
Mrs. O’Raffety schwieg lange. Endlich sagte sie: »Bret ist durch seine Gebrechlichkeit verbittert. Ich weiß noch, wie er auf der Schule war. Ein Löwe. Und zeitlebens ein so aktiver Mann … Es ist sehr schwer für ihn, sich mit seiner Krankheit abzufinden.«
»Wird er oft so zornig?« fragte ich.
»Nein«, sagte Buddy. »Ihr Besuch scheint ihn durcheinandergebracht zu haben.«
»Aber natürlich nicht«, sagte Mrs. O’Raffety, die wusste, was eine vollkommene Gastgeberin ihren Gästen schuldig ist. »Es ist nur, dass die Begegnung mit Mr. Samson Bret wahrscheinlich ein bisschen zu lebhaft an die Zeit erinnert hat, als er noch gesund und kräftig war.«
»An manchen Tagen geht’s ihm richtig gut«, sagte Buddy. Er griff nach der Kaffeekanne, die auf einem Servierwagen heißgehalten wurde. »Noch eine Tasse?«
»Danke«, sagte ich.
»Wirklich«, sagte Buddy. »Und dann gibt es Tage, da sehe ich ihn am Swimmingpool stehen mit einem Gesichtsausdruck, als spielte er mit dem Gedanken, sich ins Wasser zu stürzen und nicht wieder an die Oberfläche zu kommen.«
»Buddy! Wie kannst du so etwas sagen!«
»Tut mir leid, Mrs. O’Raffety, aber es ist wahr.«
»Er muss sich selbst wieder finden«, sagte Mrs. O’Raffety.
»Genau«, sagte Buddy, hastig bemüht, die Besorgnis seiner Brotgeberin zu beschwichtigen. »Er muss sich selbst wieder finden. Genau das meine ich.«
    Wir fuhren auf der Küstenstraße zurück. Buddy war etwas unwohl, und so fuhr einer der Diener Buddys Jeep – Joey, einer von den Mexikanern, die in der vergangenen Nacht mit ihm Karten gespielt hatten. Joey starrte sorgenvoll in den dicken Nebel vor der Windschutzscheibe und murmelte, dass es viel vernünftiger gewesen wäre, durch den Canon und landeinwärts auf der Schnellstraße zu fahren.
    »Buddy sollte das selber machen«, klagte er wohl schon zum hundertsten Mal. »Ich mag dieses Wetter nicht.« Der Nebel rollte vom Meer über die Straße, die nur ab und zu zwischendurch zu erkennen war.
    »Buddy fühlte sich nicht wohl«, sagte ich. Autoscheinwerfer huschten vorbei. Ein Dutzend Motorradfahrer in schwarzem Leder donnerten mit selbstmörderischer Sorglosigkeit in die weiße Nebelwand, die augenblicklich selbst das Geräusch ihrer Motoren verschluckte.
»Krank«, sagte Joey. »Sie meinen besoffen.«
    Es regnete plötzlich heftiger. Die grauen Massen riesiger Lastwagen brachen aus dem Nebel, bekränzt mit kleinen orangefarbenen Lichtern, wie für eine nächtliche Regatta geschmückte Schiffe.
    Da ich nichts sagte, fuhr Joey fort: »Mrs. O’Raffety weiß es noch nicht, aber sie wird’s bald merken.«
»Was merken?«
»Dass er säuft. Der Kerl kippt eine Flasche Bourbon, als wäre nur Coca-Cola drin, ehrlich. Und das macht er, seitdem ihm seine Frau abgehauen ist.«
»Armer Buddy«, sagte ich.
»Der Hundesohn hat es nicht besser verdient.«
»Wirklich?« fragte ich.
Als Antwort auf meine ungestellte Frage sah Joey mich an und grinste. »Ich gehe nächste Woche weg. Mein Schwager in San Diego hat ’ne Arbeit für mich. Buddy kann sich seinen Job in den Arsch stecken.«
Ein paar Meilen vor Malibu brannte eine Reihe von roten Warnlichtern quer über die Straße. Ein halbes Dutzend schwere Lastwagen standen am Straßenrand. Ein Mann in braunem Hemd tauchte aus dem Nebel auf. Das Abzeichen

Weitere Kostenlose Bücher