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Geködert

Geködert

Titel: Geködert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
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kalt, dass ich froh war, einen dicken Pullover eingepackt zu haben. Der Stille Ozean war graugrün geworden, dunkle Wolken streiften die Gipfel der Berge hinter dem Haus, und selbst das Wasser im Swimmingpool hatte Klarheit und Farbe verloren.
    Die Zeit schlich dahin. Die Maschine nach London sollte erst am Abend starten. Es war zu kalt, im Freien zu sitzen, und Spazierengehen konnte man nirgends, da jenseits der inneren Einzäunung die scharfen Hunde frei herumliefen. Ich nahm ein Bad in dem geheizten Schwimmbecken, das in der kalten Luft dampfte wie Suppe. Um zehn fing es wieder an zu regnen. Ich trank literweise Kaffee und las alte Nummern des National Geographic Magazine. Das Wohnzimmer war groß, schwarze Eichenbalken unterteilten die Decke, und ein in Modigliani-Manier verfertigtes Gemälde zeigte Mrs. O’Raffety in Lebensgröße in einem rosa Rüschenkleid. Mrs. O’Raffety in Person – in roter Hose und einem rosa Häkelpullover – war auch anwesend, ebenso Buddy und Bret. Geredet wurde kaum.
    Auf dem Schirm eines überdimensionalen Fernsehgeräts, das auf Rädern vor uns in Stellung gebracht worden war, liefern Football-Spiel. Niemand sah zu, aber wir hatten eine gute Entschuldigung, nicht zu reden.
    Wir saßen auf langen, mit Chintz bezogenen Sofas um einen niedrigen Eichentisch. Auf dem Tisch stand ein gigantisches Blumenarrangement in einer Schale, die mit dem goldenen Etikett eines Blumengeschäfts in Los Angeles geschmückt war.
    In dem geräumigen Kamin brannten ein paar starke Holzscheite in hellen Flammen, die der durch den Schornstein heulende Wind anfachte.
    Mrs. O’Raffety und Bret verzichteten auf das Mittagessen.
    Buddy und ich aßen Hamburger und Caesar-Salat von Tabletts, die wir auf den Knien balancierten. Die Burger waren so gut

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    wie immer, und in jedem steckte mindestens ein halbes Pfund Fleisch. Buddy allerdings schien heute keinen rechten Appetit darauf zu haben. Ihm sei nicht ganz wohl, er habe schlecht geschlafen, sagte er, aber von den Pommes frites ließ er nichts übrig.
    Das Wetter wurde im Verlauf des Tages immer schlechter, schon mittags hingen hier oben die Wolken so niedrig, dass man draußen kaum noch etwas sah, und Mrs. O’Raffety ließ Buddy beim Flughafen anrufen, um sicherzugehen, dass die Flugzeuge auch starteten.
    Während des restlichen Nachmittags unterhielt sich Mrs.
    O’Raffety mit ihrem Schwiegersohn über dies und das, höflich bemüht, mich an der Unterhaltung zu beteiligen, wann immer sich eine Gelegenheit dazu ergab. Bret wandte den Kopf hierhin und dorthin, höfliches Interesse bekundend, ohne jedoch viel zur Unterhaltung beizutragen. Er sah an diesem Nachmittag älter und gebrechlicher aus als am Abend zuvor.
    Buddy hatte mir anvertraut, dass er schlechte Tage hatte, und dieser war offensichtlich ein solcher. Sein Gesicht war faltig und sorgenvoll. Auch das dunkelblaue Hemd mit offenem Kragen, die dunkle Hose und die blankgeputzten Lederschuhe, die er heute, des kälteren Wetters wegen, trug, betonten sein Alter.
    Mrs. O’Raffety sagte: »Sind Sie sicher, dass Sie nicht noch ein paar Tage bleiben können, Mr. Samson? Es ist doch ein Jammer, dass Sie, wenn Sie schon einmal in Südkalifornien sind, gleich am Tag nach Ihrer Ankunft wieder abreisen müssen.«
    »Vielleicht hat Mr. Samson Familie«, sagte Buddy.
    »Ja«, erwiderte ich. »Zwei Kinder, einen Jungen und ein Mädchen.«
    »Können sie schwimmen?« fragte Mrs. O’Raffety.
    »Mehr oder weniger«, antwortete ich.

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    »Sie hätten sie mitbringen sollen«, sagte sie mit der gutmütigen Blindheit reicher Leute für finanzielle Hindernisse.
    »Sie hätten soviel Spaß haben können in unserem Swimmingpool.«
    »Sie haben es wirklich sehr schön hier«, sagte ich.
    Sie lächelte und schob die Ärmel ihres gehäkelten Pullovers zurück, als gelte es, irgendwas anzupacken. Sie machte das häufig, anscheinend ohne sich der Bewegung, der nie irgendwelche Taten folgten, bewusst zu sein. »Bret nannte das Anwesen hier oben immer ein ›Paradies ohne Gräten‹«, sagte sie traurig. Die Anspielung auf die Gegenwart, in der Bret so etwas nicht mehr sagte, war nicht zu überhören.
    Bret gab sich wirklich Mühe zu lächeln, kam aber damit nicht weit.
    »Wieso ohne Gräten?« fragte ich.
    »Wie Fisch in einem Restaurant«, erklärte sie. »Noch die kleinste Kleinigkeit wird einem abgenommen. Einfach nur genießen.«
    Bret sah mich an. Ich lächelte. Bret verzog das Gesicht. Bret sagte: »Um

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