Geliebt
Meister seines Clans, Rechenschaft ablegen müssen, aber das war reine Formsache. In Wahrheit würde er, Kyle, der Leiter der Aktion sein. Tausende von Vampiren aus seinem eigenen Clan – und aus allen Nachbarclans – würden ihm unterstehen. Damit würde er mächtiger und einflussreicher sein als je zuvor.
Kyle wusste schon genau, wie er die Seuche auslösen würde: Eine Charge der Bakterien würde er in der Penn Station, eine im Grand Central Terminal und eine am Times Square verteilen. Das Timing würde perfekt sein, genau zur Rushhour. Das würde den Stein so richtig ins Rollen bringen. Er schätzte, dass innerhalb weniger Tage die Hälfte der Bevölkerung Manhattans infiziert sein würde. Nach einer weiteren Woche würden es alle sein. Diese Epidemie breitete sich rasend schnell aus, da die Übertragung über die Luft erfolgte.
Die jämmerlichen Menschen würden natürlich die Stadt abriegeln – Brücken und Tunnel dichtmachen, Luftverkehr und Schiffsverkehr einstellen. Aber genau das war es, was er wollte. Sie würden sich selbst einsperren und wären damit völlig hilflos dem Schrecken ausgeliefert, der folgen würde. Kyle und seine Vampire würden einen Vampirkrieg entfesseln, wie ihn die Menschheit noch nie erlebt hatte. Es war nur eine Frage von Tagen, bis sie alle eingeschlossenen und verzweifelt gegen die Pest ankämpfenden New Yorker komplett ausgelöscht haben würden.
Und danach würde die Stadt ihnen gehören. Nicht nur unter der Erde, sondern auch oberhalb. Es wäre der Startschuss, ein Aufruf an alle Clans in jeder Stadt, jedem Land, es ihnen gleichzutun. Innerhalb weniger Wochen wäre Amerika in ihrer Hand, wenn nicht sogar die ganze Welt. Kyle wäre derjenige, der das Ganze in Gang gebracht haben würde. Er würde allen in bester Erinnerung bleiben – als derjenige, der die Vampire für immer über die Erde gebracht hatte.
Natürlich würden sie Verwendung für die übrig gebliebenen Menschen finden. So könnten sie die Überlebenden beispielsweise versklaven und in großen Zuchtbetrieben unterbringen. Das würde Kyle gefallen. Man würde dafür sorgen, dass sie alle dick und fett würden, und wenn die Vampire Blutdurst bekämen, könnten sie aus einer endlosen Vielfalt auswählen. Die Menschen wären in einem perfekten Zustand. Ja, sie würden gute Sklaven sein und ein köstliches Mahl abgeben, wenn sie richtig aufgezogen wurden.
Bei dem Gedanken lief Kyle das Wasser im Mund zusammen. Fantastische Zeiten lagen vor ihm. Nichts würde ihm im Wege stehen.
Nichts, das heißt, abgesehen von diesem verdammten Whitetide Clan, der seinen Standort unter The Cloisters hatte. Ja, diese Vampire waren ihm ein Dorn im Auge. Aber kein großer. Sobald er das schreckliche Mädchen fand, diese Caitlin, und diesen abtrünnigen Verräter Caleb, würden sie ihn zu dem Schwert führen. Damit wäre der Whitetide Clan wehrlos, und nichts würde Kyle und seinem Clan noch im Wege stehen.
Kyle schäumte vor Wut, als er an dieses dumme kleine Mädchen dachte, das ihm entwischt war. Sie hatte ihn der Lächerlichkeit preisgegeben.
Nun bog er in die Wall Street ein. Ein Passant, ein großer Mann in einem adretten Anzug, hatte das Pech, seinen Weg zu kreuzen. Kyle rammte ihn mit aller Kraft an der Schulter, sodass er einige Schritte rückwärtsstolperte und gegen eine Mauer prallte.
Der Mann schrie erbost: »He Kumpel, wo liegt dein Problem??«
Als Kyle ihn spöttisch angrinste, veränderte sich sein Gesichtsausdruck. Mit einem Mann wie Kyle, der mehr als eins neunzig groß war und äußerst breitschultrig, legte man sich besser nicht an. Obwohl er selbst auch groß und kräftig war, drehte der Mann sich schnell um und ging weiter. So dumm war er nicht.
Nach diesem kleinen Zwischenfall fühlte Kyle sich ein wenig besser, aber seine Wut war immer noch nicht abgekühlt. Er würde dieses Mädchen finden und sie dann ganz langsam töten.
Aber jetzt war nicht die richtige Zeit. Er musste einen klaren Kopf bewahren, weil er sich um wichtigere Dinge zu kümmern hatte. Die Lieferung am Kai.
Er atmete tief ein, und langsam breitete sich wieder ein Lächeln auf seinem Gesicht aus. Die Lieferung war nur noch wenige Häuserblocks entfernt.
Dieser Tag war für ihn schöner als Weihnachten.
5.
Kapitel
S am erwachte mit heftigen Kopfschmerzen. Vorsichtig öffnete er ein Auge und erkannte, dass er auf dem Boden der Scheune im Stroh eingeschlafen war. Es war kalt. Keiner seiner Freunde hatte sich am Vorabend die Mühe
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