Geliebte der Ewigkeit (German Edition)
hinunter und dazu benötigte sie seine Mithilfe. Behutsam hob sie sein Kinn an und legte eine Hand auf seine Stirn. Sie trug keine Handschuhe, doch das Schreckensszenario einer Infektion schob sie beiseite. Ihr fehlte die Zeit, diese Dummheit zu bereuen oder durch einen Sprint zu dem im Leihwagen liegenden Verbandskasten zu korrigieren.
Vorsichtig überstreckte sie seinen Kopf. Sein Mund öffnete sich. Morrighan legte ihr Ohr über seine Lippen. Keine Atemgeräusche. Nichts. Sie drehte ihren Kopf, sodass sein Mund beinah ihre Wange berührte. Er atmete nicht mehr. Sie presste die Lippen auf seinen Mund und spendete ihm zwei Atemstöße. Lauschte wieder.
Nichts.
Sie tastete sich unter seinen Mantelkragen, suchte und fand mit zwei Fingern seinen Kehlkopf. Seine Haut war eiskalt. Vermutlich täuschte sie sich aufgrund der Kälte ihrer Hände, denn seine Lippen waren keineswegs kalt gewesen. Sie wanderte mit den Fingerspitzen von seinem Kehlkopf nach außen und ein winziges Stück nach oben, bis sie die seitliche Halsgrube fand. Auch hier spürte sie nichts. Sie versuchte es auf der anderen Seite, und als sie wieder keinen Puls fühlte, knöpfte sie mit fliegenden Fingern seinen schweren Mantel auf. Dieselbe Sorgfalt ließ sie dem Hemd, das darunter zum Vorschein kam, nicht angedeihen. Sie riss es kurzerhand auf.
Sie beatmete ihn zwei Mal, ehe sie eine Hand zwei Fingerbreit unter das Ende seines Brustbeins legte und mit der anderen Hand auf dem zentralen Druckpunkt zwischen den Brustwarzen seine Brust nach unten presste. Seine Haut war noch warm. Morrighan schöpfte Hoffnung. Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor, in der sie zwischen seiner Brust und seinem Mund hin- und herwechselte.
Dann endlich bewegte sich sein Brustkorb unter ihren Händen ohne Hilfe und sein Atem streifte ihre Wange. Vor Erleichterung konnte sie das unprofessionelle Schluchzen diesmal nicht unterdrücken.
„Wo ist das verdammte Handy?“ Sie tastete sich in der Dunkelheit auf dem Asphalt vor. Wenn sie jetzt keinen Notarzt rief, würde er doch noch sterben.
„Nein.“ Seine Hand verfehlte ihr Handgelenk und er schaffte es auch nicht, sich aufzurichten. Seine Stimme war kaum mehr als ein Krächzen, sein Tonfall weit weniger bedrohlich als beim ersten Mal.
„Sir, Sie brauchen einen Notarzt.“ Sie strich eine blutige Haarsträhne aus seinem Gesicht und wusste nicht, warum sie diesem Impuls gefolgt war. Vielleicht hoffte sie, sein Vertrauen zu gewinnen und ihn endlich dazu zu bringen, sie einen Krankenwagen rufen zu lassen. „Ich kann hier nichts für Sie tun.“
Sein Atem ging mühsam, aber regelmäßig. „Sie haben ein Auto. Bringen Sie mich von hier weg.“ Er kämpfte sich hoch.
„Was? Nein …“ Morrighan versuchte, ihn sacht zurück auf die Straße zu drücken. „Sie müssen liegen bleiben.“ Sie schaffte es nicht, ihn auch nur einen Zentimeter zu bewegen. Für jemanden, den sie gerade wiederbelebt hatte, verfügte er über erstaunlich viel Kraft.
„Sie haben bereits genug für mich getan.“
Schwang da der Vorwurf mit, dass sie Schuld an seiner Misere war, oder war das Dankbarkeit?
„Es geht mir besser. Ich kann aufstehen.“ Atemnot und seine an die Rippen gelegte Hand straften seine Worte Lügen. Doch er war fest entschlossen, aufzustehen.
„Sie werden das unter Garantie bereuen. Ebenso wie ich.“ Morrighan schluckte den Ärger, der ihm galt, weil er so stur war, und ihr, weil sie nachgab und ihm auf die Beine half. Das erwies sich als schwierig. Sie war überdurchschnittlich groß für eine Frau, aber er überragte sie selbst in seiner den Schmerzen geschuldeten gekrümmten Haltung. Außerdem wirkte sich seine körperliche Konstitution, von der allein sein Oberkörper in den höchsten Tönen kündete, zu ihrem Nachteil aus. Unter normalen Umständen war ein derart trainierter und fettfreier Körper ein Grund, seinen Besitzer für die Disziplin zu bewundern, aber jetzt lasteten seine Muskeln einfach nur schwer auf ihr. Sie würden stürzen, wobei er sich weitere Verletzungen zuziehen würde.
Nach einer gefühlten Ewigkeit stand er aufrecht, aber er schwankte. Morrighan legte seinen Arm um ihre Schultern, um ihm als menschliche Krücke zu dienen. Sein Kinn sank auf die Brust, das dunkle Haar fiel wie ein Schleier vor seine Augen.
„Es funktioniert nicht.“ Sie hatten sich noch keinen Zentimeter von der Stelle entfernt und sie rang bereits um Atem. Wie um alles in der Welt sollten sie es bis zum Auto schaffen?
„Es
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