Shoppen und fischen
PROLOG
Ich bin schön zur Welt gekommen. Als Kaiserschnittgeburt vermied ich gleich bei meinem Eintritt ins Leben den verformten Schädel und die Kampfnarben, die man davonträgt, wenn man gewaltsam durch den Geburtskanal gepresst wird. Stattdessen kam ich mit einem zierlichen Näschen zum Vorschein, mit herrlich geschwungenen Lippen und ausgeprägten Augenbrauen. Genau die richtige Menge Flaum bedeckte meinen Kopf an genau den richtigen Stellen und ließ prächtiges Haar und einen außergewöhnlichen Haaransatz erwarten.
Und natürlich wuchs mein Haar bald dicht und seidig, und es hatte die Farbe von Kaffeebohnen. Jeden Morgen saß ich bereitwillig da, während meine Mutter meine Haare um dicke heiße Lockenstäbe wickelte oder zu komplizierten Zöpfen flocht. Im Kindergarten balgten sich die anderen kleinen Mädchen – viele von ihnen mit unansehnlichen Topffrisuren – darum, ihre Matte für den Mittagsschlaf neben meiner ausbreiten zu dürfen, und ihre Finger wieselten immer wieder heran, um meinen Pferdeschwanz anzufassen. Nur zu gern teilten sie das Play-Doh mit mir oder ließen mir den Vortritt an der Rutschbahn. Alles – wenn sie meine Freundin sein durften. Schon da fand ich heraus, dass es eine Hackordnung im Leben gibt und dass das Äußere in dieser Hierarchie eine Rolle spielt. Mit anderen Worten: Im zarten Alter von drei Jahren begriff ich, dass Schönheit Privilegien und Macht mit sich bringt.
Diese Lektion fand ihre Bestätigung, als ich älter wurde und weiterhin die Herrschaft als das hübscheste Mädchen über eine stetig wachsende Zahl von Konkurrentinnen ausübte. Ich gehörte zur Crème de la Crème auf der JuniorHigh und dann auf der High School. Aber im Gegensatz zu den Figuren in meinen geliebten John-Hughes-Filmen machten Beliebtheit und Schönheit mich niemals niederträchtig. Ich regierte als gütige Diktatorin und spielte den Wachhund, wenn andere beliebte Mädchen ihre Macht missbrauchen wollten. Ich verschmähte alle Cliquen und stand treu zu meiner gescheiten besten Freundin Rachel. Ich war beliebt genug, um meine eigenen Regeln aufzustellen.
Natürlich erlebte ich Momente der Ungewissheit. Ich erinnere mich an einen im sechsten Schuljahr, als Rachel und ich Psychiater spielten, eins unserer Lieblingsspiele. Meistens war ich dabei die Patientin und sagte Sachen wie: «Ich hab solche Angst vor Spinnen, Doktor, ich kann den ganzen Sommer über nicht aus dem Haus gehen.»
«Tja», sagte Rachel dann, schob sich die Brille auf der Nase hoch und kritzelte etwas auf einen Notizblock, «ich schlage vor, Sie sehen sich
Zuckermanns Farm
an … Oder Sie ziehen nach Sibirien, da gibt’s keine Spinnen. Und nehmen Sie die.» Sie gab mir zwei Flintstones-Vitaminbonbons und nickte aufmunternd.
So ging es meistens. Aber an diesem speziellen Nachmittag schlug Rachel vor, ich sollte mich mal nicht als Patientin ausgeben, sondern als ich selbst kommen, mit einem eigenen Problem. Also dachte ich daran, wie mein kleiner Bruder Jeremy jeden Abend beim Essen das Gespräch an sich riss und ohne Pause originelle «Kommt ein Mann zum Arzt»-Witze und obskure Fakten aus dem Reich der Tiere zum Besten gab. Ich vertraute ihr an, dass meine Eltern Jeremy bevorzugten – oder ihm doch wenigstens aufmerksamer zuhörten als mir.
Rachel räusperte sich, überlegte kurz und äußerte dann die Theorie, dass man kleine Jungs ermutige, intelligent und komisch zu sein, während man kleine Mädchen lobe, wenn sie süß sind. Das nannte sie «eine gefährliche Falle» für Mädchen und sagte, sie könnten dadurch «hohl» werden.
«Wo hast du denn
das
gehört?» Ich fragte mich, was genau sie mit
hohl
meinte.
«Nirgends. Ich denk’s mir einfach», sagte Rachel und bewies damit, dass diese Falle für hübsche Mädchen ihr nicht gefährlich werden konnte. Tatsächlich passte ihre Theorie haargenau auf uns: Ich war die Schönheit mit den durchschnittlichen Noten, Rachel die Intelligente mit dem durchschnittlichen Aussehen. Plötzlich stieg eine Woge von Neid in mir auf, und ich wünschte, auch ich steckte voller großer Ideen und wichtiger Wörter.
Aber sofort warf ich einen prüfenden Blick auf die planlosen Wellen in ihrem mausbraunen Haar und sagte mir beruhigend, dass ich gute Karten bekommen hatte. Ich konnte Pakistan und Peru nicht auf der Landkarte finden und keine Brüche in Dezimalzahlen umwandeln, aber meine Schönheit würde mich in eine Welt der Jaguars und Villen und Menüs mit drei Gabeln links von
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