Geliebte der Nacht
ihr hielt, flogen die Türen des Nachtclubs krachend auf.
„He, Mann! Was zum Teufel …“ Hinter Gabrielle erklang eine männliche Stimme und stieg eine Oktave an, um dann eine Tonlage knapp unterhalb von Angst zu liegen. „Wenn du mich noch ein einziges Mal anfasst …“
„Was ist dann, zum Teufel?“, höhnte eine andere Stimme, die tief und unheilvoll klang. Mehrstimmiges belustigtes Gelächter ertönte.
„Ja, sag es uns, du kleines Stück Scheiße. Was passiert dann?“
Während ihre Finger den Türgriff des Taxis packten, drehte sich Gabrielle um, halb beunruhigt, halb voller Angst vor dem, was sie sehen würde. Und wirklich: Es war die Gang aus der Bar, die Rocker, oder was auch immer sie waren, in schwarzem Leder und mit Sonnenbrillen. Diese sechs umkreisten den Jeanstyp wie ein Rudel Wölfe; abwechselnd schlugen sie nach ihm, spielten mit ihm wie mit einem Beutetier.
Der Junge holte zum Schlag gegen einen von ihnen aus, verfehlte ihn – und die Situation eskalierte augenblicklich.
Auf einmal kam die kämpfende Gruppe lautstark auf Gabrielle, die am Straßenrand stand, zu. Die Angreifer schleuderten den Jungen gegen die Motorhaube des Taxis und schlugen ihm ins Gesicht. Blut spritzte aus seiner Nase und seinem Mund, einige der Blutstropfen trafen Gabrielle. Sie trat einen Schritt zurück, geschockt, entsetzt. Der Junge suchte nach Halt, wollte fliehen, aber seine Angreifer ließen nicht von ihm ab und verprügelten ihn mit kaum vorstellbarer Brutalität.
„Verschwindet von meinem gottverdammten Auto!“, brüllte der Taxifahrer durch das offene Fenster. „Verdammt! Macht das woanders, kapiert?“
Einer der Schläger wandte dem Taxifahrer das Gesicht zu, lächelte ein schreckliches Lächeln und schlug dann mit seiner großen Faust gegen die Windschutzscheibe, sodass das Glas in eine Million winziger Kristalle zersplitterte. Gabrielle sah, wie der Fahrer sich bekreuzigte, sein Mund bewegte sich lautlos in einem stummen Gebet. Knirschend legte er den Rückwärtsgang ein und fuhr mit quietschenden Reifen ruckartig los; der Junge rutschte von der Motorhaube und stürzte zu Boden.
„Warten Sie!“, schrie Gabrielle, aber es war zu spät.
Wie sollte sie nun nach Hause kommen, wie von diesem grauenvollen Ort fliehen? Starr vor Angst sah sie, wie das Taxi davonraste, sah seine roten Schlusslichter in der Dunkelheit verschwinden.
Die sechs Männer kannten unterdessen kein Erbarmen mit ihrem Opfer, prügelten es bis zur Besinnungslosigkeit – und bemerkten in ihrer Raserei Gabrielle nicht.
Die drehte sich um und rannte die Stufen zum Eingang vom La Notte wieder hinauf, während sie in ihrer Handtasche nach ihrem Mobiltelefon suchte. Endlich fand sie es und klappte es auf. Sie wählte die Notrufnummer, während sie die Türen des Clubs aufriss und in die Eingangshalle stolperte. Panik stieg in ihr auf. In dem ganzen Lärm, den die Musik und die Stimmen verursachten, aber auch durch das laute Hämmern ihres Herzens, hörte Gabrielle nur ein Rauschen am anderen Ende der Leitung. Sie nahm das Handy von ihrem Ohr …
Keine Verbindung.
„Scheiße!“
Erneut versuchte sie den Notruf zu wählen, aber sie hatte kein Glück.
Gabrielle lief auf den Hauptbereich des Clubs zu und schrie verzweifelt in den Lärm hinein.
„Irgendjemand – bitte helft mir! Ich brauche Hilfe!“
Niemand schien sie zu hören. Sie klopfte Leuten auf die Schulter, zog an Ärmeln und riss am Arm eines tätowierten, militärisch aussehenden Typen, aber niemand schenkte ihr irgendwelche Aufmerksamkeit. Sie sahen sie nicht einmal an, sondern tanzten und redeten einfach weiter, so als ob sie gar nicht existierte.
War dies ein Traum? Ein Albtraum vielmehr, in dem sie als Einzige wusste, was draußen geschah?
Gabrielle gab es auf und machte sich stattdessen auf die Suche nach ihren Freunden. Als sie durch den dunklen Club lief, drückte sie immer wieder die Taste für die Wahlwiederholung, in der Hoffnung auf eine Verbindung. Aber sie bekam einfach keine, und bald wurde ihr klar, dass sie Jamie und die anderen in der dichten Menschenmenge niemals finden würde.
Verzweifelt bahnte sie sich ihren Weg zurück zum Ausgang des Clubs. Vielleicht konnte sie einen Autofahrer anhalten, einen Polizisten finden, irgendetwas!
Eisige Nachtluft schlug ihr ins Gesicht, als sie die schweren Türen aufdrückte und nach draußen trat. Sie stürmte die ersten Treppenstufen hinunter, nun keuchend, unsicher, was sie erwartete – eine Frau allein
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