Geliebte Fälscherin (German Edition)
schloss die Augen. „Darauf arbeiten wir seit Jahren hin. Darauf, eine eigene Galerie zu besitzen, uns einen Namen zu machen.“
„Ja, Papa. Einen Namen. Aber unseren Namen. Unsere Bilder. Nicht die von jemand anderem, die wir …“
„Denk an deine Mutter und wie schwer sie gearbeitet hat. Für uns als Familie. Für dich .“
Seine Miene spiegelte eine Zärtlichkeit wider, die Claire kaum wiedererkannte und der sie nicht ganz traute.
„Deine Maman hat so viel geopfert, um dir dieses Talent zu geben, Claire. Und um dir ein besseres Leben in Amerika zu ermöglichen. Warum, glaubst du, sind wir hierhergekommen? Warum, glaubst du, haben wir die ganzen Jahre so viel gearbeitet? Es war alles für dich …“
Das hatte sie alles schon gehört und obwohl sie für alles dankbar war, was ihre Mutter – und ihr Vater – ihr ermöglicht hatten, wusste sie auch, dass ihre Bemühungen nicht nur Claires Wohl im Blick gehabt hatten. Sondern seines. Das hatte ihre Mutter ihr verraten. Ihre Mutter hatte in ihren letzten Tagen sehr viel gesagt. Ob dabei die starken Schmerzmittel aus ihr gesprochen hatten oder ob endlich die Wahrheit ans Licht gekommen war, wusste Claire nicht genau.
Aber sie wollte glauben, dass ihr Vater ihr Bestes wollte. Immerhin war er ihr Papa .
Während sie zu ihm hinaufschaute und seine angespannten Schultern, seine eiserne Entschlossenheit sah, spürte sie, wie alle Widerstandskraft aus ihr wich. Sie öffnete die Tür, bevor ihr noch etwas einfiel und sie ihm die Hand hinhielt. Sie fühlte sich wie eine Bettlerin und verabscheute ihn deshalb nur noch mehr.
Ihr Vater drückte ihr drei Münzen in die Hand. Eine mehr als üblich. Sie drehte sich ohne ein Danke oder ein Adieu um.
„Genieß deine Zeit im Café, aber bleib nicht zu lange fort. Auf uns wartet heute Abend noch Arbeit.“ Sein Tonfall war fröhlicher geworden. Das war immer so, wenn sie nachgab. „Und vergiss nicht, Onkel Antoine und mir etwas Süßes mitzubringen.“
Claire stockte in ihren Schritten. „Onkel Antoine ist wieder da?“
Er nickte, als wäre diese Information unbedeutend, obwohl er ganz genau wusste, dass dem nicht so war. „Er wird bald kommen, um mir zu helfen. Ich werde ihn bitten zu bleiben, damit du ihm Hallo sagen kannst, falls er Zeit hat. Aber jetzt beeil dich.“ Er winkte schnell. „Überlass das Geschäftliche uns. Das können wir besser.“
* * *
Claire bahnte sich einen Weg über die gepflasterte Straße und vergrub den Schmerz wie immer tief in sich. Sie wich Wagen und Kutschen aus, die quietschend an ihr vorbeifuhren, und hoffte, sie würde ihr Ziel erreichen, bevor der Himmel seine stahlgraue Drohung wahr machte und seine Schleusen öffnete.
Sie wohnten seit zwei Jahren in New Orleans. So lange hatten sie vorher noch nie am gleichen Ort gewohnt, seit sie in Amerika waren, und sie hatte endlich das Gefühl, hier zu Hause zu sein. Das bedeutete, dass sie wahrscheinlich bald wieder weiterziehen würden. Allein der Gedanke, schon wieder umzuziehen, weckte ein starkes Grauen in ihr.
Onkel Antoine hatte ihr versprochen, dass er das nicht wieder zuließe, dass er es ihrem Vater ausreden würde, wenn er wieder auf diese Idee käme. Aber sie wusste nur zu gut, wie starrköpfig Papa sein konnte.
Onkel Antoine .
Sie spürte, wie ein Teil ihrer Angst verschwand, während sie wartete, bis eine Kutsche vorbeigefahren war, bevor sie die Straße überquerte. Onkel Antoine verstand es, die Spannung zwischen ihr und Papa zu vertreiben.
Antoine DePaul war fast so alt wie ihr Vater und mit ihr genauso wenig verwandt wie sie mit Louis XIV, aber sie liebte ihn, als gehöre er zur Familie. Er war häufig auf Reisen. Seine Geschäfte hatten ihn vor über einem Monat zurück in den Norden gerufen. Eine lange Zeit. Sie konnte es kaum erwarten zu sehen, welche Modestiefel er sich wieder gekauft hatte. Krokodillederstiefel waren sein Markenzeichen, aber bei seiner letzten Fahrt nach New York hatte er Strauß und Anaconda gekauft. Nur Onkel Antoine …
Als sie um die nächste Ecke bog, atmete sie tief ein und wurde nicht enttäuscht. Der tröstende Duft von Hefebeignets und Zichorienkaffee weckte angenehme Erinnerungen an das Zuhause ihrer Kindheit, und das, obwohl das Café du Monde noch ein ganzes Stück entfernt war.
Ihre Stimmung besserte sich wie immer, wenn sie sich aus dem Haus wagte und spazieren ging und damit von der Galerie fort war.
Sie erinnerte sich an ihre erste Begegnung mit Antoine DePaul: in New York
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