Geliebte Fälscherin (German Edition)
City bei ihrer Ankunft in Amerika vor zehn Jahren. Sie hatte ihn für groß und eindrucksvoll gehalten. Er brachte sie zum Lachen, ohne dass er viel tun musste. Es war wirklich ein großes Glück gewesen, dass sie ihn so bald nach ihrer Ankunft in diesem neuen Land getroffen hatten. Er war selbst erst kurz vorher aus Frankreich nach Amerika gekommen. „Eine kleine Welt, selbst in dieser großen neuen Welt“, hatte Papa gesagt. Onkel Antoine war selbst ebenfalls ein erfahrener Kunsthändler und besaß einen Charme, der Kunden und weibliche Bewunderer in Scharen anzuziehen schien. Er war bald Geschäftspartner ihres Vaters geworden.
Und schließlich fast ein Familienmitglied.
Mit einem lauten Donnerkrachen öffnete der graue Himmel seine Schleusentore. Claire rettete sich, so schnell sie konnte, unter die gestreifte Markise des Cafés. Sie fühlte sich ein wenig wie eine durchnässte Ratte und wusste, dass sie wahrscheinlich auch so aussah. Sie schüttelte die Nässe von ihrem Rock und schob ihre feuchten Locken zurecht.
„Bonjour, Madame!“ Sie lächelte die Frau hinter der Theke an und gab ihre Bestellung auf. Sie war froh, dass das Café nicht übermäßig voll war.
Mit zwei Beignets auf einem Teller und zwei, die sie zum Mitnehmen hatte einpacken lassen, sowie einer Tasse Kaffee suchte sie sich einen leeren Tisch. Ein Kunde, der vor ihr hier gesessen hatte, hatte die Tageszeitung liegen lassen. Sie überflog die neuesten Nachrichten und genoss dabei ihr Gebäck und ihren Kaffee. Als niemand sie beobachtete, schleckte sie sich den Puderzucker von den Fingern.
Nach einer Weile faltete sie die Zeitung zusammen und genoss den Rest ihres Kaffees. Sie wischte sich den Puderzucker von ihrem Schoß, aber der schwarze Stoff ihres einzigen Trauerkleides gab den weißen Staub nur widerwillig wieder her. War es wirklich schon ein halbes Jahr her, seit ihre Mutter gestorben war? Es kam ihr viel länger vor und gleichzeitig, als wäre es erst gestern gewesen.
Als sie sah, dass sich der Regen gelegt hatte, trat sie in einem gemütlichen Tempo den Heimweg an. Sie war überrascht, wie schnell die Abenddämmerung sich über die Stadt legte und wie warm und schwer die Luft immer noch war. Sie konzentrierte ihre Gedanken darauf, welches Kunstwerk ihr Vater in ihrer Abwesenheit vielleicht verkauft hatte, falls er überhaupt eines verkauft hatte.
Sie dachte an ihre Jardins de Versailles , wusste aber, dass das Bild noch mindestens einen oder zwei Tage in Sicherheit war. Denn ein Gemälde von François-Narcisse Brissaud, eines hoch geschätzten „Pariser Meisterkünstlers“, dessen Bilder sehr begehrt waren, konnte schlecht in einer Galerie in New Orleans verkauft werden, solange die Ölfarbe noch bei jeder Berührung klebte.
Die meisten ihrer Kunden kamen in die Galerie und verlangten Kopien von berühmten Gemälden. Wenn Papa Geld von ihnen bekam, kam sie ihren Wünschen gern nach und signierte das Bild mit ihren eigenen Initialen. Mehr erlaubte er ihr nicht. Die Amerikaner schienen alles zu lieben, was aus Europa kam, und eine gut gemachte Kopie eines Werks von einem anerkannten europäischen Künstler war sehr in Mode.
Diese Bilder zu malen störte sie nicht. Es machte ihr sogar Spaß. Denn diese Menschen wussten , dass sie eine Kopie kauften. Kein Original.
Aber wenn jemand kam und ein Werk des großen Künstlers François-Narcisse Brissaud kaufte, dessen Stil ihre Mutter unermüdlich studiert und nachzuahmen gelernt hatte, genauso wie Claire, glaubte der Kunde, er erhalte etwas von wirklichem Wert.
Aber in Wahrheit war der Name des Künstlers auf der Leinwand genauso falsch wie die Dokumente, die ihr Vater und Onkel Antoine fälschten und die die angebliche Echtheit des Gemäldes bezeugten. Was sie machten, war unrecht. Das wusste sie genau. Es war Diebstahl.
Sie verstand nie, warum ihre Mutter sich bereit erklärt hatte, das zu machen. Maman hatte das nie verraten und Claire hatte sie auch nie gedrängt, auch nicht am Ende. Das schien irgendwie eine triviale Frage zu sein, als das Leben ihrer Mutter schmerzlich und mit Gewissheit dem Ende entgegengegangen war.
Sie erinnerte sich immer noch daran, wie sie vor einigen Jahren zum ersten Mal ein Landschaftsbild gesehen hatte, das ihre Mutter gemalt hatte, das aber einen fremden Namen getragen hatte. Sie war damals elf gewesen und hatte gedacht, jemand hätte einen Fehler gemacht. Oder dass dieser Mann – wer auch immer er war – das Bild ihrer Mutter nachgemalt
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