Geliebte Kurtisane
nicht tun. Aber es war schön, zu wissen, dass die Möglichkeit ihr nicht ganz verschlossen wäre.
Mit einem Mal senkte Mr Parret den Blick. „Meine Tochter verdankt Ihnen ihre Mitgift“, murmelte er verlegen. „Da ist es wohl das Mindeste, dass auch ich Ihnen etwas mit auf den Weg gebe. Eine Art Mitgift, wenn Sie so wollen.“ Seine Augen waren verdächtig gerötet, aber ehe sie etwas erwidern konnte, gab er ihr einen kleinen Schubs in Richtung Tür.
Noch benommen, betrat sie den Hauptraum, ließ sich den Gang hinab zum Altar führen. Es war wie ein Rausch. Orgelmusik erscholl um sie her, schwoll zu ungeahnten Höhen, Sonnenlicht fiel durch die Buntglasfenster, warf Muster auf die grauen Steinplatten zu ihren Füßen. Kleiderstoffe raschelten, als die Gäste sich erhoben, um sie zu begrüßen. Ein Meer aus Gesichtern sah ihr entgegen, unbekannte und vertraute, darunter Marks Brüder, ihre Mutter, alte Freunde aus der Kinderzeit, die sie längst tot geglaubt hatte, neue Bekannte, deren Namen sie sich noch kaum merken konnte.
Ihre Schwestern.
Und ja, auch Ihre Majestät.
Panik erfasste, lähmte sie. Sie konnte nicht weitergehen, konnte nicht vor den Altar treten, nicht vor all diesen Leuten. Sie konnte es einfach nicht.
Jessica zwang sich innezuhalten, sie atmete tief durch. Dann hob sie ihren Blick, ließ ihn weiter den Gang hinabschweifen.
Und da stand Mark, in einem weißen Frackrock mit silbergrauem Besatz. Als er sie anlächelte, spürte sie es bis in die Zehenspitzen. Langsam löste sie sich aus ihrer Erstarrung. Herzöge, Königinnen und all ihre Ängste waren verschwunden.
Nichts außer ihrer Zukunft lag vor ihr. Und sie ging ihr mit offenen Armen entgegen.
– Ende –
Anmerkung der Autorin
Den Ort Shepton Mallet gibt es wirklich, doch seine von mir beschriebenen Bewohner sind allesamt frei erfunden.
Für eine Geschichte mit echten Konflikten und mit Hindernissen, die es zu überwinden gilt, musste ich mir ein paar Dorfbewohner ausdenken, die alles andere als liebenswürdig und vorbildlich waren. Ich möchte mich vor allem bei den Pfarrern von Shepton Mallet entschuldigen, die absolut nichts gemein haben mit dem fiktionalen Mr Lewis.
Zu meinem Glück wurde ich in Shepton Mallet weitaus freundlicher aufgenommen als meine Heldin. Angefangen bei der Touristeninformation bis hin zu den Arbeitern der Dungeon Farm (wo ich mich heillos verlaufen hatte), bin ich nur ausgesprochen netten und hilfsbereiten Menschen begegnet. (Von der Eigenschaft „nett und freundlich“ muss ich allerdings die Herde rasender Kühe ausnehmen, die scheinbar nicht wussten, dass sie zur Spezies der Pflanzenfresser zählen, und versucht haben, mich zu fressen. Böse, böse Kühe.)
Obwohl das Gerüst dieser Geschichte also rein fiktiv ist, stützt sie sich zum Teil auf historische Fakten. So gab es beispielsweise keine BMK (was Sie sich bestimmt schon gedacht hatten), aber Königin Victoria hat sich die Seide für ihr Hochzeitskleid wirklich aus Shepton Mallet kommen lassen. Marks Vater hat keine Arbeiter ausgebeutet, aber die Textilarbeiter in Shepton Mallet hatten lange vor den Ludditenaufständen, den Aufständen der Maschinenstürmer, Fabriken niedergebrannt. Der Markt wird noch immer am Freitag rund um die Arkaden abgehalten, und der Käse ist wirklich köstlich. Was die berauschende Wirkung des Apfelbrands angeht, habe ich etwas übertrieben, wenngleich es Spaß gemacht hat, ihn unter dem Vorwand der Recherche zu kosten.
Ich habe mich bemüht, etwas von der Stimmung Shepton Mallets in diesem Buch einzufangen, aber gegen die Wirklichkeit kommt es natürlich nicht an. Fahren Sie hin, wenn sich die Gelegenheit bietet – ein Besuch lohnt sich!
Wenn Sie aus Shepton Mallet kommen und sich wundern, weshalb ich den Fluss umbenannt habe – das habe nicht ich mir ausgedacht. Er hat seinen jetzigen Namen (River Sheppey) erst im Zuge der Landvermessung im späten 19. Jahrhundert erhalten.
Shepton Mallet und Somerset haben sich seit frühviktorianischer Zeit sehr verändert. Durch moderne Maschinen haben sich die Wasserräder und Mühlgräben erübrigt, die damals allerorten zu sehen gewesen sein müssen. Heute sind sie fast völlig verschwunden. Im Zuge moderner Landwirtschaft wurden die Sümpfe, Marschen und Feuchtgebiete trockengelegt. Im Jahr 1841 wurden solche Entwässerungstechniken das erste Mal angewandt. Ich habe versucht, die Landschaft so darzustellen, wie sie damals ausgesehen haben mag. Die historische
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