Geliebte Kurtisane
wollen, wenn ich nur …“
„Ellen!“, erklang es da scharf wie ein Peitschenhieb von der Tür her. „Was soll dies ungebührliche Verhalten? Sir Mark, bitte entschuldigen Sie vielmals das Betragen meiner Tochter.“
Mark war sich durchaus bewusst, welchen Eindruck die kleine Szene machen musste. Ellen Carlisle vor ihm auf den Knien, mit vor Tränen schimmernden Augen. Sie blieb, wo sie war, sah sich nur nach ihrem Vater um und biss sich auf die Lippe.
Mr Carlisle war der Mann, der Jessica für tot erklärt hatte. Ihm hatte sie all die Jahre geschrieben, und er hatte keinen einzigen ihrer Briefe beantwortet. Er hatte sie aus dem Haus geworfen, hatte sie verstoßen und der Welt Lügen über sie erzählt.
Und doch konnte Mark den Mann, der nun vor ihm stand, nicht als Unmensch sehen. Er hatte ergrauendes Haar, ein schmales Gesicht, seine Miene wirkte erschöpft, zudem wohl ein wenig peinlich berührt, aber keineswegs streng und unbarmherzig. Er hatte Jessicas Lippen. Auch die Art, wie er das Kinn hob, kam Mark nur allzu bekannt vor.
Er trat vor und reichte ihm die Hand. „Sir Mark Turner.“
„Alton Carlisle“, sagte Jessicas Vater und schüttelte ihm die Hand. „Sehr erfreut, Sir. Ihr Buch … es war die reinste Freude, in meinen Predigten daraus zu zitieren. Und welch eine Ehre, Sie in meinem Hause empfangen zu dürfen. Sie bleiben doch zum Essen? Ich verspreche Ihnen auch, dass sich derlei närrisches Gebaren nicht wiederholen wird“, fügte er mit einem Blick auf seine jüngste Tochter an.
„Sie müssen Miss Ellen entschuldigen“, sagte Mark ruhig. „Sie ist einfach nur überwältigt, hat sie doch eben erfahren, dass ich Ihre Tochter zu heiraten gedenke.“
„Meine Tochter zu heiraten …“, wiederholte Mr Carlisle entgeistert. Mark ließ ihn nicht aus den Augen und hätte genau den Moment benennen können, da sein Verstand wieder einsetzte – nämlich in dem Augenblick, da ihm die Vorzüge der Verbindung aufgingen. Man würde in die Familie eines Herzogs einheiraten, hätte einen Schwager, der bei der Königin in der Gunst stand. All diese Erwägungen wurden von einem feinen, stolzen Lächeln begleitet, das der Erkenntnis geschuldet war, dass sein eigen Fleisch und Blut sich den begehrtesten Junggesellen Londons und aller fünf umliegenden Grafschaften an Land gezogen hatte.
Es brauchte nur ein paar Sekunden, schon nickte er zustimmend. „Aber natürlich. Meinen Segen haben Sie.“
„Fünftausend Pfund habe ich ihr bereits überschrieben“, bemerkte Mark nonchalant. „Für ihren eigenen Gebrauch. Oder für unsere Kinder, sollten wir welche haben.“
„Verstehe. Ja, gewiss doch.“ Mr Carlisle schüttelte ungläubig den Kopf. „Bitte verzeihen Sie, aber ich kann es kaum fassen. Ich wusste nicht einmal, dass Sie meine Tochter kennen. Zumindest sind wir beide einander nie vorgestellt worden.“ Er fuhr sich mit der Hand durchs schüttere Haar. „Nicht dass Sie mir gleich noch sagen, Sie wünschten, Sie per Sonderlizenz zu heiraten, und die Trauung solle in der Kathedrale von St. Paul’s stattfinden … Ich … ich muss wohl träumen …“
„Hier hört Ihr Traum auch schon auf“, holte Mark ihn auf den Boden der Tatsachen zurück. „Ich wünsche Ihre Tochter nicht per Sondererlaubnis zu heiraten. Ich möchte, dass Sie das Aufgebot hier in Watford – in Ihrer Kirche – verlesen. Ich möchte, dass Sie vor der gesamten Gemeinde verkünden, dass Ihre Tochter mich heiratet. Ich möchte, dass Sie sich zu ihr bekennen.“
Zu Marks Füßen begann Ellen leise zu weinen.
„Aber natürlich. Alles wird so sein, wie Sie es wünschen.“
„Und eines noch“, sagte Mark.
„Was immer Sie wollen.“
„Vom heutigen Tag an möchte ich, dass Sie ihr auf ihre Briefe antworten. Und wenn Sie vor Ihrer Tür steht, was in … Moment …“, Mark warf einen Blick auf seine Uhr, „in genau zwei Minuten der Fall sein dürfte, möchte ich, dass Sie sie willkommen heißen.“
Mr Carlisle schluckte schwer. Er sah Mark an, danach Ellen, die noch immer auf dem Boden hockte, danach wieder Mark.
„Sie denken ganz richtig“, bestätigte Mark. „Ich bin Miss Ellen heute zum ersten Mal begegnet. Es ist Ihre älteste Tochter Jessica, die ich zu heiraten gedenke.“
Mr Carlisle riss sich aus seiner Erstarrung, zog sich einen Stuhl heran und ließ sich daraufsinken. „Ich kann das Aufgebot nicht für Jessica bestellen. Das ist unmöglich. Alle glauben, sie sei tot.“
„Dann werden Sie sie eines
Weitere Kostenlose Bücher