Geliebte Schwindlerin
ohnehin wenig Feste zu feiern.
Sie selbst war gezwungen gewesen, zu Hause zu bleiben und auf seine Rückkehr zu warten, weil sie zu jung war, um ihn zu begleiten, selbst wenn die Einladung auch sie eingeschlossen hatte.
Manchmal mußte sie lange warten, bis er zurückkam, doch sie hatte gelernt, sich zu beschäftigen und war ganz glücklich, wenn sie nur ausreiten konnte.
Bis zum Ende des vergangenen Jahres war sie außerdem damit beschäftigt gewesen, sich Bildung anzueignen.
„Stopf dir um Himmels willen ein bißchen Wissen in den Kopf“, hatte ihr Vater ihr geraten. „Du wirst eines Tages sehr hübsch sein, mein Liebling, aber das ist nicht genug.“
„Genug wofür?“ wollte Minella wissen.
„Genug, um einen Mann bei Laune zu halten, anziehend auf ihn zu wirken und seine ewige Liebe zu erringen“, erklärte ihr Vater.
„Wie deine Liebe zu Mama?“ fragte Minella.
„Ganz genau“, erwiderte ihr Vater. „Deine Mutter hat mich immer bezaubert und amüsiert. Wenn wir zusammen waren, habe ich nichts und niemanden vermißt.“
Das entsprach nicht ganz der Wahrheit. Minella konnte sich daran erinnern, daß ihr Vater zuweilen widerwillig und gereizt gewesen war, weil sie kein Geld hatten.
Ihm war es in tiefster Seele zuwider, nicht imstande zu sein, ihre Mutter zu einem Theaterbesuch nach London zu entführen oder mit ihr einen Ball zu besuchen, wo sie ebenso fröhliche Menschen antreffen würden, wie sie selbst waren.
Trotzdem war das Herrenhaus bis zum Tode ihrer Mutter stets voller Sonnenschein und Heiterkeit gewesen.
Es war ein bitterkalter Winter gewesen, und sie hatten noch soviel Holz in den Kamin schichten können, das Haus war immer feucht und kühl geblieben.
Alice Heywoods Husten wurde immer schlimmer, bis er völlig unerwartet und ohne jegliche Vorwarnung zu einer Lungenentzündung ausartete, an der sie innerhalb von zwei Wochen starb.
Für Minella war eine Welt eingestürzt, und ihr Vater hatte ähnlich empfunden. Gleich nach der Beerdigung hatte er mit völlig fremd klingender Stimme heftig hervorgestoßen: „Ich kann es nicht ertragen! Ich kann nicht in diesem Haus bleiben und mir einbilden, deine Mutter könnte jeden Augenblick zur Tür hereinkommen!“
Noch an diesem Abend war er weggefahren, um in London die Erinnerung an ihre Mutter und ihr gemeinsames Glück zu betäuben.
Von diesem Augenblick an hatte ihr Vater sich verändert. Er war nicht verbittert und finster und grübelte auch nicht vor sich hin, wie es anderen Männern in dieser Lage erging, er kehrte vielmehr zu seiner früheren leichtsinnigen, unbekümmerten Lebensweise zurück, die er vor seiner Heirat geführt hatte.
Um nicht an die Frau denken zu müssen, die er für immer verloren hatte, waren zwangsläufig andere Frauen in sein Leben getreten. Er sprach zwar nie davon, aber Minella spürte es, und die Briefe, die manchmal nach Parfüm dufteten und von ungelenker Hand stammten oder verschnörkelte oder schwungvolle Schriftzüge aufwiesen, sprachen für sich.
Einige davon zerriß er gleich, als interessierten sie ihn nicht, andere wiederum las er sorgfältig. Kurz darauf pflegte er ganz beiläufig zu Minella zu sagen: „Ich habe in London etwas Geschäftliches zu erledigen und werde wohl den Morgenzug nehmen. Ich bin nicht lange weg.“
„Ich werde dich vermissen, Papa.“
„Ich dich auch, mein Püppchen, aber ich komme Ende der Woche zurück.“
Doch am Ende der Woche war von ihm nichts zu sehen, und als er schließlich zurückkehrte, hatte Minella das Gefühl, daß es nicht die Sehnsucht nach ihr war, die ihn nach Hause getrieben hatte, sondern die Furcht, zuviel Geld auszugeben.
Trotzdem ahnte sie bis zu seinem Tode nicht, daß er weit über seine Verhältnisse gelebt und einen Berg von Schulden hinterlassen hatte.
Roy Heywood, dem seine Freunde eine Pferdenatur nachsagten, war einer Laune des Schicksals erlegen, für die es keine Erklärung gab.
Eines Abends kam er sehr spät nach Hause. Minella sah ihm sofort an, daß er sich in London wieder ausgetobt hatte. Die Falten unter den Augen ihres Vaters waren für sie ein untrügliches Zeichen dafür, daß er auf zu vielen Parties gewesen war und zu wenig Schlaf gefunden hatte. Übermäßiger Alkoholgenuß hatte ihm nie zugesagt. Verglichen mit seinen Freunden war er in dieser Hinsicht geradezu enthaltsam. Bei einer der wenigen Gelegenheiten, als er ihr gegenüber mitteilsam war, hatte er ihr verraten, daß auf den Parties der Champagner in Strömen
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