Geliebter, betrogener Mann
einem grellen Schrei jagte Gerda Sanders empor, als der Körper vor ihr ins Boot fiel und der Kahn heftig zu schlingern begann. Michael Pohland war richtig gelandet, aber er war mit dem linken Fuß umgeknickt und lag nun auf den Knien zwischen Gerda und dem capresischen Fischer. Ein wahnsinniger Schmerz durchzuckte sein linkes Bein, als er sich aufrichten wollte. Er fiel zurück und sah mit einem glücklichen, aber verzerrten Lächeln Gerda Sanders an.
»Ich liege vor dir auf den Knien«, sagte er stockend. »Und ich bin glücklich.«
Gerda Sanders zog die Beine an, als wolle sie damit den Zwischenraum zwischen sich und Pohland vergrößern.
»Warum … warum haben Sie das getan?« fragte sie leise.
»Warum bist du damals nicht gekommen?« fragte er zurück. Es war für ihn selbstverständlich, daß er ›du‹ zu ihr sagte. Gibt es etwas Persönlicheres als einen Traum?
»Ich … ich konnte nicht.«
»Du wolltest nicht.«
»Ja.«
»Ich bin an diesem Abend abgereist.«
»Ich schon in der Nacht vorher.« Gerda Sanders sah hinaus ins Meer und über die gischtumsprühten Klippen. »Bitte, stehen Sie auf.«
»Ich kann nicht.« Pohland versuchte, den linken Fuß heranzuziehen. Ein Schmerz, der ihm bis unter die Schädeldecke zuckte, ließ ihn aufstöhnen. »Der linke Fuß …«
»Soll das ein neuer Trick sein?« fragte sie hart.
»Ich schwöre dir …«
Sie beugte sich vor und sah auf den linken Fuß Pohlands. Der Knöchel begann dick anzuschwellen und sich zu verfärben.
»Mein Gott! Es ist ja wahr. Sie haben sich ja verletzt! Julio, schnell, schnell, zurück!« Ihre Stimme hatte bei diesen Worten einen anderen Klang bekommen, heller, härter, eine Stimme voll Energie. Sie riß aus ihrer Badetasche ein Handtuch, zog es durch das Wasser und wickelte es als Notkompresse um den Fuß Pohlands. Dabei fielen ihre Haare über sein Gesicht. Da schloß er glücklich die Augen, spitzte die Lippen und küßte die Strähnen. Bin ich schon vierzig Jahre? dachte er. O nein, ich liebe zum erstenmal … ich bin ein Jüngling in der Seligkeit erster Empfindung …
Er wußte nicht mehr, was sie sprachen; er sah sie nur an, sah die Bewegungen ihrer Lippen und das Leuchten ihrer Augen. Nach einer knappen halben Stunde, in der sie südlich um die Insel gerudert wurden, erreichten sie einen flacheren Strand und eine kleine, weiße Villa, die in die Felsen gebaut war. Ein schmaler Privathafen mit zwei Laternen an der Mauer nahm sie auf. Knirschend setzte der Kahn im Sand auf. Julio kam nach vorn, um zu helfen.
»Haben Sie große Schmerzen?« fragte Gerda Sanders. »Julio wird sofort einen Arzt holen.«
»Sie sind erträglich.« Pohland richtete sich mit Hilfe Julios auf; auf dem rechten Bein hüpfend kam er an Land und stützte sich auf die Schulter Gerdas. Vor ihm lag eine kleine Villa, geschickt in eine natürliche Felsenbucht hineingebaut, ein Luxusvogelnest mit Markisen und Sonnenmöbeln.
»Dein Haus?« fragte Pohland.
»Gemietet.«
Sie half ihm bis zu einem der weißen Korbsessel und wartete, bis er sich ächzend gesetzt hatte. Den geschwollenen Fuß legte er auf das kleine Tischchen, das vor dem Sessel stand.
»Warum duzen Sie mich eigentlich?« fragte Gerda Sanders. Pohland sah zu ihr hinauf, aber da er an ihr vorbei direkt in die Sonne sehen mußte, senkte er wieder den Kopf.
»Ein Jahr lang habe ich mich mit dir unterhalten«, sagte er. »Ich glaube, da darf man ›du‹ sagen.«
Sie wandte sich ab und ging ins Haus. Über die Schulter rief sie zurück: »Julio wird gleich mit dem Arzt kommen. Ich hole Ihnen eine Erfrischung …«
Sie flüchtet vor einer Antwort, dachte Michael Pohland. Er drehte sich im Sessel und sah ihr zu, wie sie in dem großen Wohnraum, dessen breite Glastüren aufgeklappt waren, an einem Barwagen stand und einen Longdrink mixte. Cinzano, Eiswürfel, ein Schuß Gin, eine Maraschino-Kirsche und ein kurzer Druck Sodawasser. Ihr langes blondes Haar war noch immer naß und klebte an Hals und Schultern. Wie alt mag sie sein, dachte er plötzlich. Nicht einmal das wußte er. Auch zu schätzen war es nicht. Wer nur den Körper sah, konnte an ein junges Mädchen glauben. Aber sie war ja bereits verheiratet gewesen, und wer in ihre Augen blickte, erkannte eine innere Reife, die im Gegensatz zu ihrem Äußeren stand.
Gerda Sanders kam zurück und stellte das hohe Glas mit der Erfrischung auf den Tisch.
»Warum mußten Sie auch diesen Sprung machen!« sagte sie mit deutlichem Tadel. »Wenn wir nun
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