Geliebter Fremder
London mitgebracht.«
»Ihn?«, fragte Lara mit ersterbender Stimme.
»Ja, Mylady. Der Earl ist nach Hause gekommen.«
Kapitel 2
Die Worte schienen Lara zu umschwirren wie Fliegen. Der Earl ist nach Hause gekommen, nach Hause gekommen … »Aber das kann doch nicht sein«, flüsterte sie.
Warum sollte Mr. Young den Fremden aus London mitgebracht haben? Sie leckte sich über die trockenen Lippen.
Als sie endlich etwas sagte, klang ihre Stimme anders als sonst. »H-hast du ihn gesehen?«
Das Mädchen nickte verschüchtert.
Lara starrte zu Boden und presste hervor: »Du kanntest meinen Gatten, Naomi. Sag mir … ist der Mann in Hawksworth Hall …« Sie blickte das Mädchen an, ohne den Satz zu Ende zu sprechen.
»Ich denke schon, Mylady. Nein, ich bin mir sicher.«
»Aber … der Earl ist doch tot«, murmelte Lara. »Er ist ertrunken.«
»Ich bringe Sie zum Schloss«, drängte Naomi und ergriff ihren Arm. »Sie sind leichenblass und das ist, ja auch kein Wunder. Nicht jeden Tag kommt ein toter Ehemann zu seiner Frau zurück.«
Lara entzog sich ihr mit einer zittrigen Bewegung. »Bitte … ich brauche ein paar Minuten für mich allein. Ich komme zum Haus, wenn ich so weit bin.«
»Ja, Mylady. Ich sage ihnen, dass sie auf Sie warten sollen.« Naomi warf ihr einen besorgten, aufgeregten Blick zu und eilte zurück zum Herrenhaus.
Lara taumelte ins Haus, trat an die Waschschüssel und goss lauwarmes Wasser aus dem Krug hinein. Mit methodischen Bewegungen wusch sie sich Staub und Schweiß vom Gesicht, während ihre Gedanken wild durcheinander wirbelten. In einer derart unmöglichen Lage war sie noch nie zuvor gewesen. Sie war ein praktisch veranlagter Mensch. Sie glaubte nicht an Wunder und hatte auch nie um eins gebetet. Besonders nicht um dieses.
Allerdings war es auch gar kein Wunder, rief Lara sich ins Gedächtnis, während sie versuchte, ihre Haare wieder ordentlich festzustecken. Ihre Hände gehorchten ihr nicht und mehr als einmal fielen Nadeln und Kämme zu Boden.
Der Mann, der sie in Hawksworth Hall erwartete, konnte nicht Hunter sein. Es war ein Fremder, ein gerissener Fremder, wenn es ihm gelungen war, Mr. Young und Dr. Slade davon zu überzeugen, dass seine Behauptungen wahr waren. Lara würde einfach Haltung bewahren, ihn prüfend betrachten und dann den anderen versichern, dass er ganz bestimmt nicht ihr Ehemann war. Und damit wäre das Thema endgültig erledigt. Sie holte tief Luft, um sich zu beruhigen, und widmete sich weiter ihren Haaren.
Während Lara vor dem Queen-Anne-Spiegel auf ihrer Kommode stand, veränderte sich plötzlich die Atmosphäre im Zimmer, die Luft wurde schwer und drückend. Es war so still im Cottage, dass sie ihren eigenen wilden Herzschlag hören konnte. Aus den Augenwinkeln sah sie etwas im Spiegel, eine Bewegung, die sie lähmte. Jemand hatte das Cottage betreten.
Eine Gänsehaut überlief Lara und sie stand da in erstarrtem Schweigen und blickte in den Spiegel, als auf einmal jemand neben sie trat. Das gebräunte Gesicht eines Mannes … kurzes, sonnengebleichtes braunes Haar … dunkelbraune Augen … der harte, große Mund, an den sie sich so gut erinnerte. Groß … breite Brust und Schultern … eine körperliche Kraft und Sicherheit, die den Raum um ihn herum schrumpfen ließ.
Lara stockte der Atem. Sie wollte wegrennen, aufschreien, ohnmächtig werden, aber offensichtlich hatte sie sich in Stein verwandelt. Er stand direkt hinter ihr und blickte ihr von oben über die Schulter. Sein Blick begegnete dem ihren im Spiegel. Die Augen hatten die gleiche Farbe und doch … so hatte er sie nie angesehen, so intensiv, dass ihre Haut brannte. Er hatte den Blick eines Jägers.
Entsetzt zuckte sie zusammen, als er die Hände zu ihren Haaren hob. Er zog die losen Haarnadeln heraus und legte sie auf die Kommode. Lara beobachtete ihn bebend. »Es ist nicht wahr«, flüsterte sie.
Er hatte Hunters tiefe, leicht heisere Stimme. »Ich bin kein Gespenst, Lara.«
Sie drehte sich um, um ihn anzusehen. Er war viel dünner geworden, sein Körper war schlank, fast hager, und seine Muskeln traten deutlich hervor. Seine Haut schimmerte in einem Kupferton, der für Engländer eigentlich viel zu exotisch war. Und seine Haare glänzten goldbraun.
»Ich glaubte nicht …« Lara hörte ihre eigene Stimme, als ob sie von weit her käme. Sie spürte Stiche in der Brust und ihr Herz schlug heftig. Beinahe hatte sie das Gefühl, nicht genug Luft zu bekommen. Eine Nebelwand
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