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Geliebter Fremder

Geliebter Fremder

Titel: Geliebter Fremder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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sich, ihn wirklich anzusehen, den bläulichen Bartschatten, die harte Linie seines Kinns, die eingefallenen Wangen. »Die Form deines Gesichts hat sich verändert«, sagte sie und fuhr schüchtern mit den Fingerspitzen über seinen Wangenknochen. »Vielleicht hätte ich dich ja wieder erkannt, wenn du nicht so viel Gewicht verloren hättest.«
    Überraschend drückte er einen Kuss in ihre Handfläche. Lara zog instinktiv die Hand zurück.
    »Und deine Kleider sind anders«, fuhr sie fort. Sie blickte auf seine graue, enge Hose, das zerschlissene weiße Hemd und die unmoderne, schmale Krawatte. Hunter war immer nur in die teuersten Stoffe gekleidet gewesen: Mäntel aus feinem Tuch, bestickte Brokatwesten, Reithosen aus Leder oder leichtem Wollstoff. Seine Abendanzüge waren ähnlich prächtig gewesen: knisternde schwarze Jacketts, Hosen, die wie angegossen saßen, schimmernde weiße Leinenhemden, gestärkte Kragen und Halstücher, mit Champagner polierte Schuhe.
    Hunter lächelte säuerlich über ihre Musterung. »Ich wollte mich im Haus umziehen«, sagte er, »aber meine alten Kleider scheinen weggeräumt worden zu sein.«
    »Arthur und Janet haben über alles verfügt.«
    »Auch über meine Frau, wie es scheint.« Er blickte sich in dem Cottage um und seine braunen Augen wurden kalt.
    »Mein Onkel wird dafür bezahlen, dass er dich hier hat leben lassen. Gott weiß warum, aber ich hätte mehr von ihm erwartet.«
    »Es war recht bequem …«
    »Es reicht nicht einmal für eine Waschfrau, geschweige denn für meine Gattin.« Hunters Stimme durchschnitt das Zimmer wie eine Peitsche und Lara zuckte zusammen. Als Hunter dies bemerkte, wurde sein Blick wieder weicher.
    »Mach dir keine Gedanken. Von jetzt an passe ich auf dich auf.«
    »Ich möchte nicht …« Die Worte entschlüpften ihr, bevor Lara es verhindern konnte. Entsetzt presste sie die Lippen zusammen und starrte schweigend in ihren Schoß. Es war unglaublich, fast so schlimm wie ein Albtraum. Hunter war wieder zu Hause und wie früher würde er ihr Leben in die Hand nehmen und ihre Unabhängigkeit zertreten wie eine Blume unter seinem Stiefel.
    »Was ist los, mein Liebes?«, fragte er leise.
    Verblüfft starrte Lara ihn an. »Du hast mich noch nie so genannt.«
    Er legte ihr die Hand um den Hals und streichelte mit dem Daumen ihre Kinnlinie, ohne sich darum zu kümmern, dass sie vor ihm zurückzuckte.
    »Ich hatte viel Zeit zum Nachdenken, Lara. Ich habe eine lange Genesungszeit in Kapstadt verbracht und dann habe ich mich auf die lange Reise hierher begeben. Je mehr ich an dich und unsere Ehe dachte, desto mehr stellte ich fest, wie selbstsüchtig und oberflächlich ich doch war. Ich habe mir geschworen, dass wir von vorne beginnen, wenn ich erst wieder bei dir bin.«
    »Ich glaube, das ist nicht möglich.«
    »Warum nicht?«
    »Es ist zu viel geschehen und ich …« Lara schluckte und Tränen traten ihr in die Augen. Verzweifelt versuchte sie, sie zurückzudrängen. Warum hatte Hunter zurückkommen müssen? Mit einem einzigen Streich des Schicksals war sie jetzt wieder zu einem Leben verdammt, das sie gehasst hatte. Sie fühlte sich wie eine Gefangene, die freigelassen worden war, nur um anschließend wieder eingesperrt zu werden.
    »Ich verstehe.« Hunter ließ seine Hand sinken. Seltsamerweise sah er sie wirklich so an, als verstünde er sie, obwohl er niemals so veranlagt gewesen war.
    »Es wird nicht mehr wie vorher sein«, sagte Hunter.
    »Du kannst nicht über deinen Schatten springen«, erwiderte Lara, wobei eine Träne über ihre Wange rollte.
    Hunter holte tief Luft und wischte den salzigen Tropfen mit den Fingerspitzen weg. Lara zuckte zurück, aber Hunter beugte sich vor, um den Abstand zwischen ihnen nicht so groß werden zu lassen. Sie war im Sessel gefangen und presste sich ängstlich gegen die Rückenlehne.
    »Lara«, flüsterte er, »ich würde dir nie wehtun.«
    »Ich habe keine Angst vor dir«, erwiderte sie und fügte mit leiser Verachtung hinzu: »Ich will nur nicht wieder deine Frau sein.«
    Der alte Hunter wäre über dieses Aufbegehren wütend gewesen und hätte sie mit ein paar scharfen Worten zurechtgewiesen. Stattdessen blickte er sie ruhig abwägend an, was sie schrecklich nervös machte. »Ich werde versuchen, das zu ändern. Ich bitte dich nur, mir eine Chance zu geben.«
    Lara umklammerte die Armlehnen des Sessels. »Ich würde es vorziehen, wenn wir getrennt leben könnten, so wie wir es taten, bevor du nach Indien gegangen

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