Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geliebter Lord

Geliebter Lord

Titel: Geliebter Lord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Ranney
Vom Netzwerk:
bevor der Vorrat gänzlich aufgebraucht war.
    Das Turmzimmer, in dem Hamish sich aufhielt, war zugig. Er hatte einige der Schießscharten mit Stroh zugestopft, um sich gegen den Wind zu schützen, das einzige Fenster jedoch offen gelassen, die Holzläden aufgeklappt. Auf der abgeschrägten Sohlbank ruhte jetzt das Kanonenrohr.
    Bei der ersten Erkundung seines neuen Heims hatte er das Geschütz hier, im höchstgelegenen Raum des Turms, entdeckt. Es war nicht schwierig zu erklären, weshalb man es mühevoll die Wendeltreppe in den dritten Stock hinaufgeschleppt hatte. Eingefügt in die der zerklüfteten Abbruchkante des Felsens folgende Schildmauer, bot der Turm einen Ausblick über das Land und befand sich in der optimalen Verteidigungsposition. Vom Fenster aus sah man linker Hand das Meer, mit dem der See durch den Ness verbunden war, auf der rechten Seite einen schmalen Waldgürtel und den Weg in die Zivilisation.
    Die Brücke stand bei Flut unter Wasser, was sie nicht nur für Hamish unpassierbar machte, sondern auch für unerwünschte Besucher.
    Hamish zog die Kanone auf ihren quietschenden Rädern zurück und lud sie erneut. Als Geschosse benutzte er Metallstücke und Steine. Was Schießpulver betraf, hatte er mehr als genug. Die einstigen Verteidiger von
Aonaranach
hatten, versteckt unter einem Haufen Stroh, ein kleines Magazin zurückgelassen.
    Hamish griff nach der Büchse mit dem Zunder, zündete ihn an und trat ein paar Schritte zurück, als die Kanone ihren Inhalt mit einem kehligen Brüllen ausrülpste.
    Na also! Diesmal hatte er die Spitze getroffen!
    Ein Schrei veranlasste ihn, zum Fenster zu gehen. Sich mit einer Hand auf der Sohlbank abstützend, lehnte er sich hinaus und blickte nach rechts. Ein Mann stand vor dem Baumgürtel und schwenkte einen langen Ast mit einem großen, roten Tuch am Ende. Als Hamish das zornige Gesicht seines Bruders erkannte, begriff er sofort: Brendan hatte offenbar in der Nähe des anvisierten Baums gestanden. Hamish winkte ihm zu, und Brendan rammte den Ast in den Boden, spreizte die Beine, verschränkte die Arme und schaute mit grimmiger Miene herauf.
    Plötzlich gesellte sich aus dem Schutz der Bäume eine Frau zu ihm. Sie trug einen leuchtend roten Rock und roten Umhang, aber ihr Schultertuch, das ihr Dekolleté verhüllen sollte, fehlte. Brendans Fahne, dachte Hamish.
    Als er sah, dass sie mit den Augen Brendans Blick folgte, wich er sofort zurück. Hatte sie ihn gesehen? Nein, wohl nicht. Sonst hätte sich zumindest Erschrecken auf ihrem Gesicht gemalt.
    Ihr Haar war braun, und sogar an diesem grauen, düsteren Tag spielten rote Lichter darauf. Die Farbe der Augen zu erkennen war ihm auf diese Entfernung nicht möglich, ihre schmale Taille und die vollen Brüste, das aufreizende Dekolleté jedoch ebenso wie die zarten Handgelenke, der anmutige Hals und die im Gehen sichtbar werdenden, schlanken Fesseln. Dass er sich die Frau im nächsten Moment nackt vorstellte, machte ihm bewusst, wie lange er schon mit keiner Frau mehr zusammen gewesen war.
    Brendans Ehefrau? Nein. Nicht einmal sein spontan und schnell handelnder Bruder würde in drei Wochen eine Braut finden.
    »Im Frühling werde ich heiraten«, hatte er in Indien verkündet. »Mir ist danach, mich für
eine
Frau zu entscheiden.«
    »Und wo willst du diese Frau unterbringen?«, hatte Hamish gefragt.
    Brendans Schiff, eines der ersten auf Gilmuir gebauten Segelschiffe, war zwar groß, die Kapitänskajüte aber zu klein für zwei Personen.
    »Ich denke, in Schottland«, antwortete Brendan. »Vielleicht auch in Nova Scotia. Egal – es liegt beides gleich nahe am Meer.«
    »Du meinst, du willst dann weiter zur See fahren? Findest du das fair? Du wärest jahrelang am Stück unterwegs. Glaubst du nicht, dass sie sich einsam fühlen würde? Falls du eine Frau finden solltest, die dein hässliches Gesicht vermissen würde …«
    Brendan war sich seiner Wirkung auf Frauen gewiss und hatte nur gegrinst.
    Aber die Frau dort unten konnte unmöglich seine Ehefrau sein. So viel Glück hatte nicht einmal er.
    Brendan wandte sich ihr zu und sagte etwas, was sie veranlasste, den Kopf in den Nacken zu legen und wieder zum Turm heraufzuschauen.
    Hamish verließ seinen Beobachtungsposten. In der Mitte des Raums blieb er unschlüssig stehen. Wäre Brendan allein gekommen, hätte er, Hamish, nicht gezögert, die Treppe hinunterzugehen und die eisenbeschlagene Eichentür zu öffnen, die er repariert hatte – aber unter diesen

Weitere Kostenlose Bücher