Geliebter Moerder - Eine wahre Geschichte
er das während ihrer Beziehung auch schon so empfand oder ob er im Rückblick die Vergangenheit verklärt. Und er will sich auch nicht als Boris-Becker-Verschnitt abstempeln lassen, für den nur eine bestimmte Sorte Frau infrage kommt, in Claus’ Fall die Klischee-Schwedin.
»Ich steh schon auf Blonde, am liebsten hellblond mit blauen Augen, aber eigentlich bin ich nicht so sehr auf einen Typ Frau festgelegt. Auch nicht bei der Figur«, sagt Claus. »Die Proportionen müssen stimmen. Es muss halt alles irgendwie passen.«
Und es hat gepasst bei ihm und Elke. Nicht nur das Aussehen und die Figur. Ganz anders als bei ihm und mir, bei Claus und Kristin. Da passt nicht mal meine Haarfarbe, egal, was Claus behauptet. Und nicht nur das: Bei uns trifft Langschläferin auf Frühaufsteher, Experimentalfilm-Liebhaberin auf Mafia-Actionfilm-Gucker, Dreigängemenü-Köchin auf Fertigpizza-Esser, Kunst kennerin auf Kunstbanausen, Bioladen-Käuferin auf Aldi-Shopper, Individualurlauberin auf Pauschaltouristen, Zapperin auf Fernsehzeitungsabonnenten, Faultier auf Sportskanone – die Liste wird immer länger, je mehr ich darüber nachdenke.
Doch die beiden waren mehr als zwanzig Jahre jünger, als sie ein Paar wurden. In diesem Alter sind Vorlieben und Abneigungen noch nicht so ausgeprägt, die Schrullen halten sich in Grenzen. Und man geht an eine Beziehung anders heran, so wie an das ganze Leben: ahnungsloser, naiver, aber darum auch mutiger und positiver. Man stellt sich keine Fragen wie etwa Hat das Zukunft? oder Will ich mit diesem Menschen alt werden? oder Bekommen wir unsere Unterschiede unter einen Hut, oder artet es in täglichen Kleinkrieg aus? Man hat noch nicht gelernt, dass man den anderen nicht ändern kann. Und dass die wahren Probleme erst nach dem Happy End anfangen – nach dem Abspann sozusagen. Das Leben hat gerade erst begonnen, das Liebesleben sowieso.
Beide hatten gerade ihr Abitur bestanden, Claus ein Jahr früher als Elke. Er leistete seinen Zivildienst in einem Heim für Kinder mit Down-Syndrom ab, sie würde in Kürze eine Banklehre beginnen. Dass sie elf Jahre zusammenbleiben würden, war zu diesem Zeitpunkt noch nicht ansatzweise vorhersehbar. Es ist ungewöhnlich, dass Liebesbeziehungen, die man in diesem Alter eingeht, so lange halten. Es ist ja die Zeit des Experimentierens und Ausprobierens: Was will ich vom Leben, von der Liebe, vom Partner?
Doch auch ich habe einige Paare in meinem Freundes kreis, die sich als Teenager in unserem Heimatort kennen lernten und noch immer zusammen sind – bei den meisten gab es zwar schwere Krisen, aber sie haben sich dann doch wieder zusammengerauft. Ich selbst war mit Thomas, dem Mann, den ich mit Anfang zwanzig kennenlernte, elf Jahre lang zusammen, bin mit ihm erwachsen geworden – genauso war es bei Claus und Elke. Vielleicht hat es mit dem Leben in der Provinz zu tun, vielleicht sind Begegnungen dort weniger flüchtig; vielleicht liegt es einfach an der kleineren Auswahl von potenziellen Partnern, vielleicht an den Traditionen, die gerade in Bayern damals noch eine viel größere Rolle spielten; oder vielleicht liegt es an diesem speziellen, allgegenwärtigen Provinz-Lebensgefühl, das man auch dann mitnimmt, wenn man zusammen in eine Großstadt zieht.
Auf jeden Fall ähneln sich Claus’ und meine Geschichte irgendwie: Ich lernte Thomas in einer Disco kennen, in der sich all diejenigen trafen, die sich vom Rest der Klein stadt, aus der ich stamme, abheben wollten. Damals nann ten sie sich Psychos, Rockabillys, Waver, Gruftis (noch nicht Gothics, der Name kam erst später auf) und natürlich Punks. In einer Großstadt hätte jede dieser Jugendgruppen einen eigenen Club gehabt; bei uns wechselte die Musikrichtung einfach stündlich und ebenso die Menschen und Moden auf der Tanzfläche. Thomas war Punk mit grünem Iro und Nietenlederjacke. Ich trug zu meinen schwarzen Haaren ausschließlich schwarze Klamotten, hörte aber lieber Ska und Punk als Gruftmusik. Thomas sprach mich an, als die Psychos mit ihren karierten Hemden auf der Tanzfläche waren. Wie Claus war auch Thomas Zivi, er arbeitete als Sanitäter beim Roten Kreuz. Ich studierte im ersten Semester Geschichte in München, fuhr aber jedes Wochenende nach Hause, immer die Schmutzwäsche im Gepäck. Trotzdem fühlten wir uns sehr erwachsen damals.
Claus und Elke kamen sich beim Flaschendrehen auf einer Party näher. Flaschendrehen mit Anfang zwanzig – auch das war damals in der Provinz nicht
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