Geliebter Moerder - Eine wahre Geschichte
Das Geständnis
»Wir müssen reden«, sagt er beim Sonntagsfrühstück in meiner Küche. Unglaublich, was dieser abgedroschene, zu oft gehörte Satz in mir auslösen kann.
Denn Wir müssen reden heißt nie Wir müssen dringend unseren dreiwöchigen Sommerurlaub auf Sardinien planen oder Ich will endlich mit dir zusammenziehen – was hältst du davon?
Ich rechne auch nicht mit einer harmlosen Gewissenserleichterung wie etwa Schatz, ich habe leider diese weiße Rosenthal-Vase zerbrochen, die du von deiner Uroma geerbt hast.
Nein, auf Wir müssen reden folgt normalerweise Ich habe da jemanden kennengelernt, Unsere Beziehung macht mich nicht mehr glücklich, Du kannst nichts dafür, aber … Oder gleich die Wahrheit: Ich möchte mich trennen .
Der Satz Wir müssen reden ist der Anfang vom Ende einer Liebe. So war es immer. Bisher.
Dieses Mal jedoch erwartet mich ein Geständnis, dagegen wird alles verblassen, was bisher war – Untreue, Lügen, Betrug und erloschene Gefühle. Ein Geständnis, das triviale Metaphern wie Es war, als würde der Boden unter meinen Füßen weggezogen oder Die Sonne schien sich zu verdunkeln wahr werden lässt. Genauso wird sich die Welt – meine Welt – danach anfühlen. Bodenlos, dun kel, eiskalt.
Wir müssen reden. Noch habe ich keine Ahnung, nicht die geringste.
Ich sehe ihm über den Frühstückstisch in die Augen. Ich entdecke Tränen darin. Tränen? Was haben die da zu suchen? Meine Hände halten die Sonntagszeitung, das FAS -Feuilleton, sie beginnen zu zittern. Es ist mir peinlich. Ich hoffe, er sieht es nicht. Mein Hals ist plötzlich staubtrocken. Ich schlucke vergeblich gegen die Wüste in meinem Mund an. Mein Herz hämmert mir gegen die Brust, als wolle es unbedingt nach draußen. Bilder von früher tauchen in meinem Kopf auf: ein anderes, halb aufgegessenes Sonntagsfrühstück, Croissant-Krümel auf Tisch und Teller, die dritte Tasse Kaffee; es war gemütlich, vertraut, vielleicht ein bisschen zu warm – gerade hatte ich überlegt, das Fenster zu kippen –, im Hintergrund dudelte stilvoll Nouvelle Vague . Da sagte der Mann, mit dem ich damals alt werden wollte: Wir müssen reden. Der Anfang vom Ende einer großen Liebe. Jahre ist das her.
Seitdem passierte es so oder so ähnlich noch ein paar Mal, mit anderen Männern, an anderen Küchentischen. Die Liebe war nicht in jedem Fall groß. Manchmal war ich es, die den abgedroschenen Satz aussprach. Weh tat es eigentlich immer.
Unglaublich, was dieser Satz auslösen kann.
Wir müssen reden. Mein Herz beruhigt sich ziemlich schnell. Was soll schon passieren? Ich kenne diesen Mann erst seit vier Monaten. Wir sind noch in der Phase, in der er einen Riesenblumenstrauß mitbringt – keine roten Rosen, die kann ich nicht leiden, zu klischeehaft –, wenn er zum Abendessen kommt. Er hat sich sogar gemerkt, dass es mich nervt und anstrengt, immerzu Wasser nach Hause zu schleppen. Also hat er bei diesem Besuch zwei Kisten mitgebracht. Die richtige Marke, der richtige Kohlensäuregehalt. Ich war gerührt. Einer, der sich Gedanken macht, aufmerksam und ein bisschen altmodisch ist, dachte ich.
Es ist noch die Phase, in der Männer Komplimente machen, selbst wenn man mit verschmiertem Kajal, verklebten Augen, verwuschelten Haaren und karierten Pyjamahosen am Frühstückstisch lümmelt. Seine Komplimente drehen sich häufig um meinen Busen. »Wie kann man in deinem Alter noch so straffe Brüste haben? Und die sind wirklich nicht gemacht? Ganz ehrlich jetzt? Lass noch mal fühlen …« Und um meinen Hintern. »Unglaublich knackig. Und das Beste daran ist, dass deine Hüften vergleichsweise schmal sind.«
Ich nehme ihm diese Sorte Komplimente nicht übel, im Gegenteil. Ich habe die üblichen, langweiligen Phrasen über Augen und Lippen streng verboten. Und er hält sich daran.
Wir müssen reden. Es kann unmöglich um Trennung gehen. Viel zu früh. Ich habe ihn im Internet kennengelernt, bei einer angeblich sehr seriösen, fast schon spießigen Partnerbörse, bei der ich auf Drängen meiner besten Freundin Hannah halbherzig versuchte, den Mann fürs Leben zu finden. Bisher waren mir jedoch nur Langeweiler, Spießer, Angeber und/oder hässliche Frösche statt Prinzen untergekommen.
Er schrieb mich an und schaltete seine Fotos für mich frei. Eine nette, halbwegs originelle Mail, ein offenbar attraktiver Mann – das war mir beim Internetdating noch nicht allzu oft passiert. Ich schickte trotzdem eine Absage, immerhin eine
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