Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geliebter Normanne

Geliebter Normanne

Titel: Geliebter Normanne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Michéle
Vom Netzwerk:
die grausamen Fremden begann ihre Angst zu verdrängen. Sie ballte die Hände zu Fäusten. Waline, die sah, wie aufgewühlt Hayla war, legte beruhigend eine Hand auf ihre Schulter.
    »Denk daran, was wir besprochen haben.« Obwohl sie allein in der Küche waren, senkte Waline ihre Stimme zu einem Flüstern. Man konnte nie wissen – vielleicht hatten die Wände Ohren. »Du bist eine einfache Magd, kannst weder lesen noch schreiben, und bemüh dich, einen etwas … dummen und einfältigen Eindruck zu machen.«
    »Ich werde es versuchen«, entgegnete Hayla, Zweifel im Blick. »Allerdings wird es mir schwerfallen, mich nicht zu verraten, wenn die Männer Französisch sprechen.«
    »Auf keinen Fall darf Sir Ralph merken, dass du ihre Sprache verstehst!« Waline war ernsthaft erschrocken. »Das könnte deinen sofortigen Tod bedeuten!«
    »Das heißt, ich werde bis zu meinem Tod mein wahres Wesen verleugnen müssen.« Traurig senkte Hayla den Blick.
    »Wer weiß schon, was die Zukunft bringt, Hayla.« Waline versuchte, ihren Schützling ein wenig aufzuheitern. »Es gibt noch genügend aufrichtige Angelsachsen, die sich die Eroberung nicht gefallen lassen werden und …«
    »Ach, das glaubst du doch selbst nicht.« Scharf und lauter als beabsichtigt unterbrach Hayla die Magd. »Wir Angelsachsen sind für alle Zeiten erledigt, unser England wird niemals wieder so sein, wie wir es kannten und liebten. Und jetzt lass uns an die Arbeit gehen, ich möchte nicht Ralph Clemencys Zorn auf mich ziehen.«
     
    Die normannischen Ritter hatten schnell erkannt, dass sie sich mit ihrer wilden Zerstörungswut selbst nichts Gutes angetan hatten, denn nun mussten sie in der Halle die Möbel wieder aufstellen und beschädigte Stellen ausbessern, wollten sie einen Platz zum Essen haben. Ralph Clemency stand mit grimmigem Gesicht, die Hände in die Hüften gestützt, an der Stirnseite und betrachtete den größten Raum von Penderroc Castle.
Castle –
schon diese Bezeichnung war ein Witz! Die sogenannte Burg war nichts weiter als eine Ansammlung windschiefer, mit Schilf gedeckter Hütten, lediglich das Haupthaus bestand aus einem dreistöckigen steinernen Söller und einem zweistöckigen Langhaus, dessen Erdgeschoss die Halle einnahm. Der Fußboden aus festgetretenem Lehm war mit Binsen bestreut, kein Wandbehang zierte die kalten Mauern, und mitten im Raum befand sich die Feuerstelle, für die es allerdings keinen Abzug gab. So war die Halle von stickigem Rauch erfüllt und die Balkendecke schwarz wie Pech.
    Ralph Clemency seufzte, als er an seine komfortable Behausung in Frankreich mit Kaminen an den Seitenwänden und mit Steinböden dachte. Dass er in einer wesentlich schlechteren und schmutzigeren Umgebung geboren und aufgewachsen war, schob Ralph in diesem Moment beiseite. Durch die Heirat mit der Schwester von Bosgard de Briscaut war er in die adlige Gesellschaft aufgestiegen. Zu dumm nur, dass seine Frau so bald nach der Hochzeit gestorben war! Mit großen Ambitionen war er dem Herzog der Normandie nach England gefolgt und hatte gehofft, in dem kalten und regnerischen Land jenseits des Kanals zu Macht und Reichtum zu gelangen, aber wie sah es wirklich aus? Seine einfache Herkunft ließ sich nicht verleugnen, und obwohl er inzwischen den Titel eines Ritters trug, war er nicht mehr als ein Laufbursche Bosgards und musste dessen Befehle ausführen. Auch wenn Penderroc Castle recht armselig war, so gehörte es ausschließlich Bosgard de Briscaut, während er nur als Verwalter fungierte. Über alles, was er hier tun würde, musste er Bosgard berichten und jeden Penny nach London abliefern, während Bosgard es sich am Hof des Königs gutgehen ließ. Ha! Ralph knirschte mit den Zähnen. London und damit Bosgard waren weit, er würde die Anweisungen missachten und nach seinem eigenen Gutdünken verfahren. Diese ungebildeten Angelsachsen hatten es nicht verdient, gut behandelt zu werden, wie es Bosgard ihm aufgetragen hatte. Sie waren nicht mehr als Vieh, und er, Ralph, würde schon dafür sorgen, dass Penderroc in naher Zukunft Profit abwarf. Dann würde der König nicht umhinkönnen, auch ihm ein eigenes Landgut zu schenken. Und mit Bosgard würde er leicht fertig werden.
    Ein Knappe, der einen Stuhl an ihm vorbeitrug, stolperte, und ein Stuhlbein schlug hart gegen Ralphs Hüfte. Reflexartig holte er aus und ohrfeigte den jungen Mann.
    »Kannst du nicht aufpassen, du Tölpel!«
    Der Knappe lief feuerrot an und stammelte rasch eine

Weitere Kostenlose Bücher