Der Venuspakt
Jeanine Krock
– Vampire –
1. Auflage April
Titelbild: Agnieszka Szuba
www.the-butterfly-within.com
©opyright by Jeanine Krock
ISBN: 978-3-86608-583-
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Das Haus meiner Eltern hatte eine wunderbare, von Rosen umrankte Terras-
se, und die hohen, lichten Räume waren mit gemütlich knarrendem Parkett
ausgelegt.
Der Duft von Bienenwachs zur Möbelpflege gehört ebenso zu den Erinne-
rungen meiner frühen Kindheit wie die Magie. Früh lernte ich, die Gedanken
anderer zu lesen, und oft tauchten die wunderlichsten Gestalten aus der An-
derwelt auf, um mit mir zu spielen oder Schabernack zu treiben.
Hinter dem Haus lag der Kräutergarten. Die Beete mit einer niedrigen
Buchsbaumhecke eingefasst, glich er einem duftenden Labyrinth. Wir Mäd-
chen halfen, seit ich denken kann, bei der Pflege und lernten nebenher alles
über Blumen, Kräuter und Heilpflanzen.
Wie schön unsere Mutter aussah, wenn sie mit zerzauster Frisur und erd-
verkrusteten Händen aus dem Garten kam und ein wenig atemlos ihren Ern-
tekorb auf dem gescheuerten Küchentisch abstellte. Manchmal gesellte sich
dann auch Vater zu uns. Er wirbelte Mutter herum, küsste sie und nahm uns
auf seine starken Arme, während er rief: «Ich liebe meine wunderschönen
Frauen!» Doch das war in einem anderen Leben.
Mit Magie habe ich mich seit dem Tod meiner Eltern kaum noch befasst. Sie
hat ihnen nicht geholfen. Im Gegenteil, ich bin überzeugt, sie war der eigent-
liche Grund dafür, dass sie so früh sterben mussten.
Meine magischen Talente empfinde ich seither als Fluch. Viele Menschen
fühlen sich ausgesprochen unwohl in meiner Gesellschaft. Sie spüren, dass
ich anders bin, und meiden mich. Tante Jill, die sich um uns Kinder kümmerte,
sagt, das müsse nicht zwangsläufig so sein. Ich sollte halt lernen, meine Kräfte
zu beherrschen. Zur Außenseiterin hätte ich mich ganz alleine gemacht.
Dieses Problem scheinen meine Schwestern nicht zu haben. Estelle ist stark,
selbstbewusst und klug. Ich denke, sie hat ihre Magie gut im Griff. Gefragt
habe ich sie allerdings nie.
Selena liebt die Natur und ganz besonders Tiere. Keine Ahnung, wie die Vie-
cher immer zu ihr finden. Doch ständig tauchen schwanzlose Katzen, einäu-
gige Köter und flügellahme Vögel bei ihr auf, derer sie sich dann annimmt. Sie
pflegt sie liebevoll mit Hilfe merkwürdiger, selbst gebrauter Kräutertränke
und entlässt sie schließlich wieder in die Freiheit.
Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass meine Schwestern noch zu klein wa-
ren, um den Verlust der Eltern wirklich zu begreifen. Sie schienen einfach wei-
terzuleben wie bisher und das nahm ich ihnen übel. Wir haben uns seit jenem
furchtbaren Tag nicht mehr gut verstanden und ich war froh, als ich wegen
meines Studiums in eine andere Stadt ziehen konnte.
Selena ist bei Jill geblieben und hilft ihr, den kleinen Buchladen zu führen.
Estelle lebt zurzeit in Paris. Manchmal schreibt sie mir eine E-Mail. Sie scheint
glücklich zu sein.
Es ist traurig, aber ich fürchte, das Einzige, was uns Schwestern verbindet,
ist unser Musikgeschmack. Ich finde, die Zwillinge sehen sensationell aus,
wenn sie abends in einen der Szene-Clubs in unserer Heimatstadt gehen. Tan-
te Jill beklagt sich schon seit Jahren über diese, wie sie es nennt, morbiden Nei-
gungen und verlangt von mir, ich solle ein Vorbild für die beiden sein, indem
ich endlich ein wenig Farbe in mein Leben lasse.
Als der Anruf von Tante Jill kam, war ich auf alles gefasst. Bereits seit Ta-
gen quälte mich das ungute Gefühl, dass etwas Außergewöhnliches gesche-
hen würde, und so war ich enttäuscht, als sie sich wie üblich nach meinem
Befinden erkundigte und dann vorsichtig fragte: «Nuriya, willst du uns nicht
wieder einmal besuchen? Du warst schon so lange nicht mehr hier!»
«Tantchen! Was soll ich diesmal für dich tun? Einladungen zum Jahresfest
schreiben, deinen Computer reparieren oder dir bei der Inventur helfen?»
«Nichts von alledem!»
«Bist du krank? Deine Stimme klingt eigenartig!»
Jill räusperte sich. «Du weißt,