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Geliebter Normanne

Geliebter Normanne

Titel: Geliebter Normanne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Michéle
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noch …«
    Das Gesicht der alten Magd war zwar von Falten durchfurcht, aber ihre braunen Augen waren wach und aufmerksam, und sie sah Hayla streng an.
    »Ich habe es dir bereits im letzten Jahr erklärt, Mädchen. Das Gesindel ist kein Umgang für dich.« Sie trat näher zu Hayla und senkte ihre Stimme zu einem Flüstern. »Niemand – und ich sage ausdrücklich: niemand! – darf erfahren, wer dein Vormund war.«
    »Gerade deshalb ist es auffällig, wenn ich in einer eigenen Kammer schlafe«, wandte Hayla ein. »Ich verstehe ja, warum meine Abstammung nicht bekannt werden darf, aber mache ich mich durch diese Absonderung nicht erst recht verdächtig? Manche der Leute tuscheln, warum du mich wie eine Glucke bemutterst.« Als Hayla sah, wie ein Schatten über Walines Gesicht fiel, fügte sie rasch hinzu: »Versteh mich nicht falsch, du bist wirklich wie eine Mutter zu mir, und ich bin froh und dankbar, dass es dich gibt, aber wie lange sollen wir dieses Spiel noch treiben?«
    Waline presste kurz die Lippen zusammen, dann zischte sie: »Der gute Sir Leofric, Gott sei seiner armen Seele gnädig, hat mich bei meinem Blute schwören lassen, dass ich mich um dich kümmere und dich beschütze – wenn nötig mit meinem Leben. Lass die Leute reden, sie hören auch wieder auf. Sie werden denken, dass ich dich nur behüten möchte. Mädchen, du hast ja keine Ahnung, was das Pack, das in der Halle nächtigt, so alles macht. Allein der Gedanke daran treibt mir die Schamröte in die Wangen. Auf keinen Fall werde ich zulassen, dass du dich unter sie mischst.«
    Nur zu gerne wollte Hayla erfahren, was nachts in der Halle vor sich ging, von dem sie die alte Magd fernhielt. Deswegen war sie des Nachts schon öfter heimlich aus ihrer Kammer heruntergeschlichen, aber außer schnarchenden und grunzenden Lauten hatte sie in der Dunkelheit nichts bemerkt. Zudem musste sie höllisch aufpassen, nicht von Waline entdeckt zu werden. Diese behandelte sie zwar wie eine einfache Magd und übertrug ihr vielfältige und schwere Arbeiten, hielt sie aber ansonsten von den anderen Burgbewohnern ab.
    Als Hayla, Sir Leofric, Sir Alfred und ihre Begleiter vor über einem Jahr nach einem tagelangen, wilden Ritt in den äußersten Westen Englands endlich Penderroc Castle, das den Namen
Burg
kaum verdiente, erreicht hatten, war sie Waline anvertraut worden. Sir Leofric hatte lange mit der alten Frau gesprochen, aber Hayla hatte über den Inhalt des Gespräches nichts erfahren. Sie hatte nur mitbekommen, dass Penderroc Castle der Stammsitz von Sir Leofrics Familie war. Sir Alfred und die beiden Knechte waren gleich wieder zurückgeritten, Sir Leofric hatte sich jedoch nicht wohl gefühlt. Er bekam hohes Fieber und starb nur drei Wochen nach ihrer Ankunft. Waline hatte Hayla eingeschärft, niemanden wissen zu lassen, woher sie kam und in welcher Beziehung sie zu dem gefallenen König Harold stand. Damals hatte Hayla sich ohne Widerrede in alles gefügt, denn die Normannen zogen plündernd und mordend durch das Land. König Harold war tot, und die Männer von jenseits des Kanals waren nun die neuen Herrscher der Insel. Damals war Hayla in einer Art völliger Ungläubigkeit, dass England nicht mehr den Engländern gehörte, gefangen, doch seitdem war über ein Jahr vergangen …
    »Waline, ich glaube nicht, dass die Normannen nach Cornwall kommen«, sprach Hayla ihre Gedanken aus. »Von Reisenden hören wir, dass sie sich vor allem im Süden und Osten ausbreiten. Hierher in den Westen ist bisher kein Normanne vorgedrungen. William, der sich zum König von England krönen ließ, hat London zu seinem Wohnsitz bestimmt und zeigt wenig Interesse an der westlichen Gegend. Müssen wir uns also immer noch fürchten? Wir leben hier doch ruhig und friedlich und … Aua! Lass mich los, du tust mir weh!«
    Blitzschnell hatten sich Walines Finger um Haylas Handgelenk geschlossen, und sie zog das Mädchen dicht an sich heran.
    »Die Gefahr ist noch lange nicht vorbei«, zischte die Magd ihr ins Ohr. »Sie werden kommen, da kannst du sicher sein. Bisher haben wir hier wie früher leben können, aber die Normannen werden ihre Herrschaft ausdehnen. Offenbar fürchten sie im Westen keinen Aufstand, da William noch niemand nach Cornwall geschickt hat, aber sie werden kommen. Und dann gnade uns Gott!«
    Seit Sir Leofrics Tod hatten die Knechte und Mägde das Haus und das Land weiter bewirtschaftet wie zuvor. Da Sir Leofric ohne Angehörige gestorben war, hatte bisher

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