Geliebter Teufel
dahin mußt du dich von mir leiten lassen und genau das tun, was ich dir sage.«
»Natürlich, Onkel Fletcher.« Wie hätte sie etwas anderes tun können? Schließlich hatte sie ihm alles zu verdanken. Ihre Ausbildung, die hübschen Kleider, die er ihr gekauft hatte, die Chance auf ein neues Leben hier im Westen - sogar das Essen in den vergangenen vier Jahren. Da ihre Eltern nicht mehr lebten, wäre sie in ein Waisenhaus gekommen, wenn ihr Onkel nicht gewesen wäre.
»Versuch mich zu verstehen, meine Liebe. Ein Mann wie ich kennt eine Menge verschiedener Leute. Manche sind Geschäftsbekanntschaften wie Royston Wardell und William Bannister, Leute, die mir sehr häufig einen großen Gefallen tun. Andere sind Nachbarn wie die Hollingworths oder aber Leute, die ich wegen ihrer gesellschaftlichen Verbindungen zu schätzen weiß, wie Mrs. Winston und ihren Mann, George.« Ein Ehepaar, das sie schon etwas früher am Abend kennengelernt hatte. »Dann gibt es einflußreiche Kalifornier wie die Montoyas ... und solche wie Don Ramon.«
»Don Ramon? W-was ist mit ihm?«
»Meine Bekanntschaft mit dem Don ist von vollkommen anderer Art... mehr eine Verpflichtung. Die Familie de la Guerra lebt bereits seit dem Beginn des spanischen Einflusses in Kalifornien hier. Es hat eine Zeit gegeben, da waren sie reich und mächtig, kannten jede wichtige politische Persönlichkeit im Umkreis von weit über tausend Kilometern. Das bedeutet natürlich, daß ich, gesellschaftlich gesehen, Don Ramon nicht übergehen kann.«
»Ich verstehe.«
»Leider ist es eine Tatsache, daß der Mann nicht mehr diese Macht hat. Heute sind seine Finanzen begrenzt, und er besitzt auch weniger Grund und Boden. Er sorgt für seine Mutter und eine altjüngferliche Tante, abgesehen von den Arbeitern, die er nicht entlassen will. Was ich damit sagen will, ist eigentlich, daß der Mann dir kaum gesellschaftlich gleichgestellt ist. Ich hatte gehofft, du würdest das so erkennen und dich entsprechend verhalten.«
»Ich hatte keine Ahnung ...« Aber sie bekam das Gefühl, daß sie, bis auf ihre teuren Kleider und die Ausbildung, die ihr Onkel finanziert hatte, dem Don weitaus weniger gesellschaftlich gleichgestellt war als er ihr.
»Das glaube ich gern.« Sein Ton wurde nachdrücklicher. »Zum Glück weißt du es jetzt, und ich erwarte von dir, Caralee, daß du deine teure Ausbildung, die ich dir habe zuteil werden lassen, einzusetzen weißt. Ich erwarte auch von dir, daß du dich verhältst wie eine gebildete Dame, die du geworden bist. Aber noch viel mehr erwarte ich von dir, daß du dich mit den Leuten umgibst, die ich für dich aussuche.«
Er stand auf und beugte sich über den Tisch. »Habe ich mich klar ausgedrückt?«
»J-ja, Onkel Fletcher.«
Etwas von der Spannung wich aus seinen muskulösen Schultern. »Ich will nicht hart zu dir sein, meine Liebe. Aber immerhin bin ich auch dein rechtlicher Vormund. Es ist meine Pflicht, zu entscheiden, was das Beste für dich ist.«
Möglicherweise stimmte das. Jedenfalls war sie verpflichtet, sich so zu verhalten, wie er es wünschte. »Es tut mir leid, Onkel Fletcher. Ich hatte bloß keine Ahnung. Ich verspreche dir, es wird nicht wieder Vorkommen.«
»Braves Mädchen. Ich wußte, daß ich mich auf dich verlassen kann. Du bist immerhin die Tochter unserer geliebten Lucy.«
Carly lächelte. Ganz offensichtlich hatten ihr Onkel und ihre Mutter sich einmal gut verstanden. Allein das zu wissen half ihr sehr.
Als er neben ihr auf das Stimmengewirr der fandango zuging, den Klängen der Gitarre, dem Duft des gegrillten Fleisches und dem lauten Gelächter der Vaqueros und seiner Freunde entgegen, schwor sie sich, alles zu tun, was er wollte, um ihm eine Freude zu machen, und den gutaussehenden spanischen Don zu vergessen.
Aber als sie Don Ramon lässig an der rauhen Hauswand der Hazienda lehnen, seine silbernen Verzierungen aufblitzen sah und seinen durchdringenden Blick auf sich gerichtet fühlte, wurde ihr klar, daß es alles andere als leicht sein würde, ihn zu vergessen.
Ramon de la Guerra trank einen Schluck seiner Sangria und genoß den wohlschmeckenden Rotwein, angereichert mit dem süßsauren Aroma von Orangen und Limonen. Auf der anderen Seite der Terrasse stellte Fletcher Austin seine Nichte einer weiteren Gruppe Anglos vor. Einige davon waren Nachbarn, die meisten jedoch Freunde, die aus Yerba Buena - San Francisco, wie es jetzt hieß - angereist waren.
Es ließ sich nicht leugnen, daß Austins Nichte
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