Geliebtes Landleben
Tony: »Gut, das gebe ich zu. Es war
alles meine Schuld. Ich dachte, Oliver wäre eine Ausnahme, — und das ist er
nicht.«
»Er
ist ein prima Kerl«, sagte Paul herzlich, »und er wird ein guter Arzt sein, wo
immer er lebt. Eine Frau muß das Leben ihres Mannes annehmen. Wenn du ihn jetzt
fallenläßt, bist du ziemlich grausam. Erst hast du ihn glauben lassen, daß du
ihn liebst, dann kommst du und sagst: >Tue, was ich will. Lebe mein Leben —
oder es ist aus.< Du hast einen Mann zum Helden gemacht, der keiner sein
wollte, und dann hast du ihn einfach fallenlassen.«
Das
war hart, aber wahr, und sie wußte es. Plötzlich sagte sie ganz zaghaft: »Ja,
ich war wieder einmal ein Dummkopf... Aber ihr müßt wissen, daß Oliver mir nie
gesagt hat, daß er nicht hierbleiben würde. Darauf habe ich alles aufgebaut.«
Wir
konnten nur zugeben, daß er in diesem Punkt wirklich unrecht hatte, und sie
sagte traurig: »Ich glaube, ich werde nie lernen, in einen Menschen nichts
hineinzudichten. Aber jetzt ist es zu spät. Er hätte mich warnen sollen, und
das hat er nicht getan. Jetzt kann ich ihn nicht mehr heiraten.«
Paul
sagte freundlich: »Das wäre ausgestanden. Es hat keinen Zweck, weiter darüber
zu sprechen. Du hast deinen Entschluß gefaßt, und wir werden dich unterstützen.
Aber es wird für euch beide schwer sein, bis er weggeht. Ihr lebt in Tiri viel
zu nah zusammen.«
»Ich
weiß, aber was kann ich tun?«
Ich
sagte: »Ich habe natürlich über all das nachgedacht. Könntest du bis dahin den
Laden nicht verlassen, Tony, und anderswo außerhalb des Bezirks eine Stelle
finden? Du sagst doch, Miranda sei sehr tüchtig, und Tantchen wird Verständnis
dafür haben.«
»Ich
habe auch darüber nachgedacht. Seit Tagen zerbreche ich mir nur noch den Kopf,
seit ich meinen Entschluß gefaßt habe. Ich kann Tantchen nicht im Stich lassen,
zumindest noch nicht. Miranda ist sehr gut, aber Tantchen ist an mich gewöhnt,
und wir arbeiten zusammen. Wenn Tiri ein richtiges Postamt bekommt, glaube ich,
daß Tantchen es übernimmt und den Laden schließt. Dann kann sie den Supermarkt
Miranda und Caleb überlassen. Aber jetzt noch nicht. Ich muß einfach noch ein
bißchen weitermachen.«
»Ich
meinte nicht, daß du für immer gehen sollst; nur für eine Weile, bis Oliver weg
ist. Ich glaube, die jetzige Lage ist für euch beide unmöglich. Warum willst du
nicht eine Pause machen? Es wird so schwierig sein, wenn er genau gegenüber
wohnt.«
Tony
stand auf, sie schien sehr müde und ganz erwachsen. »Ich glaube, ich gehe ins
Bett, wenn ihr nichts dagegen habt... Ja, es wird nicht schön sein, aber das
ist alles meine Schuld. Ich werde es schon schaffen. Es braucht niemand zu
erfahren, bis er weg ist, und ich helfe ihm weiter, wenn er mich braucht. Wir
werden es durchstehen... Außerdem, wo sollte ich Ferien machen? Keine zehn
Pferde würden mich zu Mutter bringen, und Vater kommt so schnell nicht ’rüber.
Er hat mir gestern geschrieben, er fährt für die Firma nach Japan und kommt
erst in einigen Monaten hierher. So muß ich wohl in Tiri bleiben.«
Das
klang so traurig, daß ich fast in Tränen ausbrach. Am schlimmsten war, daß Tony
selbst so ruhig blieb. Sie schien nicht mehr dasselbe ungestüme Mädchen zu sein,
das wir so lange geliebt hatten. Natürlich hatte ich gewollt, daß sie erwachsen
wird; es war nur ein Jammer, daß es so schmerzlich vor sich gehen mußte. Ich
glaube außerdem, daß jede Mutter Schmerz empfindet, wenn ihr Kind Mitleid und
Hilfe nicht mehr braucht.
Als
ich das Paul an diesem Abend sagte, erklärte er kurz: »Du bist müde und redest
Unsinn. Tony wird dich nie im Stich lassen. Sie fühlt sich jetzt nur
schrecklich dumm, das ist sie ja auch, und sie kann sich selbst nicht
nachgeben, aber sie wird dich immer brauchen, geh’ also schlafen.«
Ich
wußte, daß es egoistisch war, aber es tröstete mich. Ich wollte, daß Tony mich
immer ein wenig brauchte.
13
Ich hielt Tonys Plan, in Tiri bis zu Olivers
Abreise weiterzumachen, für ziemlich unmöglich. Abgesehen von ihren eigenen
Gefühlen interessierte sich der Bezirk natürlich sehr für die Verlobung und
beobachtete liebevoll, was im Laden und im Haus des Doktors vor sich ging. Sie
waren beide verliebt, und auch ein Hauch von Romantik umgab dieses Mädchen, dessen
Vater, wie alle wußten, wohlhabend war, und das trotzdem lieber in einem Laden
auf dem Lande arbeitete. Alle hatten sich gefreut, als die Verlobung
angekündigt wurde, und
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