Geliebtes Landleben
ganzen Tag schlafen. Nein, Sie brauchen nicht verlegen zu werden. Es ist albern von mir, nicht gleich zu sagen, daß mein Mann ein Alkoholiker ist und gerade seine Trinkphase hat.«
Ich fühlte mich schrecklich, denn ich schien in eine Tragödie eingedrungen zu sein. Ich sammelte meine Papiere unter Entschuldigungen wieder ein, aber sie sagte: »Nein, das ist schon in Ordnung. Ich versuche nicht, es zu verbergen. Einen Alkoholiker darf man nicht in Schutz nehmen, wissen Sie. Haben Sie schon einmal etwas darüber gelesen?«
Ich sagte, ich hätte ein bißchen was darüber gelesen und wisse, daß es eine Krankheit sei und als solche anerkannt werde.
»Ja, ich bin froh, daß Sie es verstehen. Stephen tut sein Bestes. Er hat eine Entziehungskur gemacht, und es ist schon viel besser. Ab und zu rutscht er noch einmal aus, aber es wird immer seltener.« Voller Mitgefühl fragte ich: »Wie werden Sie damit fertig?«
»Das habe ich gelernt. Al Anon, der Zweig der Antialkoholikerliga, der den Frauen und Familien von Trinkern hilft, hat mich sehr unterstützt. Ich habe gelernt, ihn in Ruhe zu lassen, nicht zu betteln oder zu nörgeln. Dadurch ist es so viel besser geworden, und ich weiß, es wird eines Tages gut werden. Sehen Sie, es ist nicht so schwierig, denn wir bemühen uns beide sehr.«
Ich fühlte einen Kloß in der Kehle; sie war so tapfer und so ruhig. Plötzlich sagte sie lebhaft: »Ich glaube, ich kann Ihnen ungefähre Zahlen geben. Natürlich kann ich mein Alter, auch das von Stephen und unser Einkommen ausfüllen. Ich arbeite auch«, und sie gab mir eine Zahl an, die so hoch war, daß sie mich überraschte. Dann kam die schwierigere Frage, die ich einfach nicht stellen konnte. Aber sie sagte ruhig: »Was wir für Alkohol ausgeben? Das ist nicht schwierig, denn ich habe unsere Monatsrechnungen, die wir an das Gasthaus bezahlen, und danach können wir es ausrechnen.« Wir kamen auf eine Gesamtsumme, die mich erstaunte. Kein Wunder, daß trotz ihrer guten doppelten Einkommen Haus und Einrichtung so ärmlich waren.
Sie lächelte und sagte: »Machen Sie kein so trauriges Gesicht. Trotz einiger Tage, an denen mein Mann nicht arbeiten kann, ist es ihm gelungen, seine Stellung zu behalten. Er ist gut, wissen Sie, und sein Chef hat soviel Verständnis. Er kennt den Alkoholismus ganz genau, denn er ist selbst Alkoholiker, obwohl er seit fünfzehn Jahren nichts mehr getrunken hat. Er hilft Stephen, macht Zugeständnisse und ist verständnisvoll. Oh, es wird wieder gut werden«, dann verabschiedete sie sich sehr freundlich von mir und wünschte mir noch viel Glück für den Rest der Umfrage.
Und ich? Ich war nicht annähernd so beherrscht wie sie. Ich kehrte zu meinem Auto zurück, fuhr an einen einsamen Ort und weinte mich richtig aus. Ich hatte einen solchen Fall noch nie erlebt, und seine Tragik rührte mich zutiefst.
Als ich mich erholt und mein Gesicht wieder hergerichtet hatte, war es Zeit, Larry in der Milchbar zu treffen. Sie sah mich scharf an und fragte: »Na, - Susan, was ist passiert? Du hast mit irgend jemandem eine traurige Geschichte beweint.«
Aber als ich ihr von der Frau erzählte, war sie eine Minute lang still und sagte dann: »So ein Unglück. Für sie, meine ich. Für ihn wahrscheinlich auch. Und natürlich für dich, weil du gerade auf so etwas stoßen mußtest. Ich habe einen lustigen Vormittag gehabt.«
»Wie wäre es mit dem Mittagessen? Bist du fertig?«
»Nur noch ein Haus muß ich besuchen. Wie wäre es, wenn du mich hinfährst und auf mich wartest?«
Ich erklärte mich einverstanden und war später froh darüber, denn so konnte ich die Methoden meiner Freundin und ihre >lustige Zeit< erleben.
7
Larry ging auf ein großes Haus mit einem schönen Garten zu, aber als sie das Grundstück betrat, bellte sie ein großer Schäferhund mit gesträubtem Fell an. Larry ließ sich überhaupt nicht aus der Ruhe bringen; sie sagte etwas — ich bin sicher, daß die Tiere eine eigene Sprache haben und daß Larry sie sprechen kann — und schon glätteten sich die Haare, und das Bellen hörte auf. Dann streckte sie die Hand aus, damit er sie beschnüffeln konnte, wozu er sich auch herabließ, und dann begann er mit dem Schwanz zu wedeln. In der nächsten Minute kniete sie auf dem Rasen und plauderte ganz vertraut mit ihm.
Ich war überzeugt, daß sie es nun geschafft hatte, und schloß die Wagentür, dankbar, daß ich ihr nicht zur Hilfe hatte eilen müssen. Es folgte jedoch Schlimmeres,
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