Gelinkt
Füßen. Je höher der Weg hinaufführte, desto härter wurde der Schnee.
Bäume schirmten den Pfad ab, und auf der festen Schneedecke kamen sie gut voran. Sie waren seit etwa anderthalb Stunden unterwegs und nun im Kiefernwald, als Max haltmachte. Aus der großen Höhe, die sie inzwischen erstiegen hatten, sahen sie durch eine Schneise zwischen dem in Reih und Glied stehenden Langholz die Biegung des vor ihnen liegenden nächsten Tals. Jenseits desselben schimmerte im Sternenlicht zwischen zwei Bergrücken das Wasser eines Sees, dessen Oberfläche schäumte wie ein Glas guten deutschen Biers. Es war schwer abzuschätzen, wie weit es bis dorthin noch sein mochte. Es waren keine Häuser in Sicht, keine Straßen oder Hochspannungsleitungen, nichts, was einem als Maßstab hätte dienen können. Auch die Bäume waren keine Hilfe, Nadelholz wächst ja in allen möglichen Gestalten und Größen.
»Fünf Minuten«, sagte Max. Sein wahrer Zustand wurde offenkundig, als er zu Boden sackte und seinen Hintern zwischen die Wurzeln eines Baums klemmte. Neben ihm stand eine Futterkrippe für das Rotwild, das hier für die Jäger gehegt wurde. Er lehnte sich an die Krippe, und dabei sank sein Kopf zur Seite. Sein Gesicht glänzte vor Anstrengung, und er sah vollkommen erschöpft aus. Blut war durch das Zeitungspapier gesickert und bildete einen großen Flecken auf dem Ärmel des dicken Mantels. Es würde wohl besser sein, den Arm fest anzudrücken, als zu versuchen, die Wunde hier neu zu versorgen. Bernard nahm den Feldstecher zur Hand, schnippte die Schutzhüllen von den Linsen und holte sich den See heran. Was wie Bierschaum aussah, war der Dunst, der auf dem Wasser lag und das Ufer verschwimmen ließ. »Wie sind deine Füße?« sagte Max.
»Okay, Max.«
»Ich habe noch ein paar Socken.«
»Bemuttere mich nicht, Max.«
»Weißt du, wo wir sind?«
»Ja, wir sind in Deutschland«, sagte Bernard und starrte
weiter durch das Glas. »Weißt du das genau?«
»Aber das ist doch unser See, Max, Mouse-Lake.« »Oder Moulting-Lake«, schlug Max vor.
»Oder Turncoat-Lake«, sagte Bernard, »denn schließlich
mausern sich ja auch Überläufer zu etwas, das ihnen vorher keiner angesehen hat.«
Max bedauerte, sich auf diese Übersetzungsspielerei eingelassen zu haben. Er beschloß, von jetzt an Bernard nicht mehr wie ein Kind zu behandeln. Das würde ihm nicht leichtfallen. Er kannte ihn nun schon so lange, daß er Mühe hatte, sich daran zu gewöhnen, daß er inzwischen ein erwachsener Mann mit Frau und Kindern war. Und was für eine Frau er hatte! Fiona Samson war einer der aufgehenden Sterne des Departments. Manche von dessen begeisterungsfähigen Angestellten behaupteten, sie würde noch mal als erste Frau auf dem Posten des Director General landen. Max hielt das für unwahrscheinlich. Die höheren Ränge des Departments waren reserviert für eine bestimmte Sorte von Engländern, die alle miteinander die gleichen Schulen besucht zu haben schienen.
Max Busby fragte sich oft, weshalb Fiona Bernard geheiratet hatte. Er war keine großartige Partie. Wenn er die Leitung der Deutschland-Abteilung in London kriegte, hätte er das zum guten Teil dem Einfluß seines Vaters zu verdanken, und zu mehr würde er es nicht bringen. Wer immer zum Leiter der Deutschland-Abteilung ernannt wurde, würde Bret Rensselaer zum Vorgesetzten haben, und Bret wollte einen Handlanger ohne eigene Initiative auf diesem Posten sehen. Max fragte sich, ob Bernard sich an diese Rolle gewöhnen würde. Max nahm den angebotenen Feldstecher, um sich seinerseits den See aus der Nähe anzusehen. Mit seiner einen Hand konnte er das Glas nur halten, wenn er sich gegen den Baum lehnte. Schon beim Heben des Arms zitterte er. Ob sich da schon eine Blutvergiftung ankündigte? Das ging, wie er aus Erfahrung wußte, bei solchen Wunden manchmal sehr schnell, aber er verdrängte den Gedanken sofort und konzentrierte sich auf das, was er vor Augen hatte. Ja, das war der Mausesee, genau so wie er ihn von der Landkarte in Erinnerung hatte. Landkarten waren seine Leidenschaft, manchmal studierte er sie stundenlang, wie andere Leute Bücher lesen. Nicht nur Karten von Gegenden, die er kannte, von Ländern, die er besucht hatte oder eines Tages würde besuchen müssen, sondern jede Art von topographischen Karten. Als ihm einmal jemand den Times-Atlas des Mondes schenkte, nahm Max den gleich mit in den Urlaub, und zwar als einzige Lektüre.
»Wir müssen am südlichen Ufer entlang«,
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