Gelinkt
schon etwas länger weg waren, und sie schützen, falls sie sich schon in der Nähe der Hütte verstecken mußten. »Gehen wir.« Max nahm seine Pistole in die Hand. Es war eine Sauer, Modell 38, eine kleine Selbstladewaffe aus der Nazizeit, wie sie die höheren Offiziere der deutschen Wehrmacht bevorzugt hatten. Eine schöne Waffe, die Bernard sich von einem Bekannten aus der Londoner Unterwelt hatte besorgen lassen, wo er ein ähnliches Aufgebot zweifelhafter Figuren zu seinen Freunden zählte wie in Berlin.
Bernard sah zu, wie Max versuchte, den Verschluß zurückzuschieben, um eine Patrone einzulegen. Er mußte die Waffe zu diesem Zweck in die andere Hand nehmen, und der Schmerz verzerrte sein Gesicht. Es tat weh, das mit anzusehen, aber Bernard sagte nichts. Sobald er fertig war, drückte Max auf den hochstehenden Spannhebel und senkte den Hahn, so daß die Waffe schußbereit war, ohne das Risiko, daß der Schuß sich zufällig löste. Max steckte die Pistole in seine Brusttasche. »Hast du eine Waffe?« fragte er.
»Wir haben sie in dem Haus gelassen. Du hast gesagt, Siggi würde sie vielleicht brauchen.« Bernard hievte sich den Rucksack auf die Schulter. Er war schwer vom Inhalt beider Rucksäcke: ein Enterhaken, Nylonseil, ein kleines Grabwerkzeug und ein eindrucksvoller Bolzenschneider.
»Das habe ich tatsächlich. Mist. Na ja, nimm du den Feldstecher.« Bernard nahm Max den Feldstecher ab, wobei er darauf achtete, den verwundeten Arm nicht zu berühren. »Starr sie an, bis sie erstarren, Bernard. Du wirst es schon schaffen.« Ein grimmiges Gelächter. Schweigend nahm Bernard den Feldstecher – ein gummiverkleidetes Zeissglas, 7 X 40, das Modell, das auch die Grenzpolizei benützte – und steckte seinen Kopf und einen Arm durch den Riemen. Es hing auf diese Weise unbequem fest am Körper, aber er wollte nicht riskieren, daß der Feldstecher ihm vor dem Bauch herumhampelte und vielleicht sogar in die Fresse schlug, wenn sie rennen mußten. Max löschte die Petroleumlampe. Nun war es stockdunkel, bis er die Tür öffnete und einen Streifen blauen Sternenlichts und bitterkalte Nachtluft hereinließ. »Mannomann.« Max erwartete Ärger, und Bernard fand diese Aussicht nicht erfreulich. Bernard hatte nie gelernt, die gewaltsamen Auseinandersetzungen, die sein Job gelegentlich mit sich brachte, so gelassen hinzunehmen, wie der alte Hase Max das tat, sogar wenn er verletzt war. Hatte das irgendwas mit dem Militär oder mit dem Krieg zu tun oder mit beidem?
Die Holzhütte lag einsam. Wenn es nur wieder zu schneien anfangen würde, der Schnee würde ihre Spuren verwischen, aber es sah nicht danach aus. Vor der Hütte schnupperte Max die Luft: Würde der Rauch ihres Feuers sie dem Suchtrupp verraten? Es war jedenfalls richtig gewesen, ein so entlegenes Versteck zu wählen. Die Hütte wurde nur im Sommer von Hirten bewohnt, wenn das Vieh auf den Bergweiden graste. Aus der Höhe, auf der sie sich hier befanden, konnten Bernard und Max das Tal unter sich liegen sehen, durch das sie gekommen waren. Hier und dort funkelten die Lichter einzelner Häuser und kleiner Weiler aus der dunklen und einsamen Landschaft. In der Nacht begünstigte diese Menschenleere die Flucht, doch bei Tageslicht würden sie in der öden Gegend verdammt auffallen. Max verfluchte das Pech, das die ganze Operation verzögert hatte. Zu dieser Stunde hätten sie eigentlich schon alle jenseits der Grenze sein sollen und mit heiler Haut nach warmem Bad, üppigem Mahl und ‘ner Menge zu trinken in tiefem Schlaf. Max blickte in die Höhe. Einige wenige Sterne blinzelten aus dem östlichen Himmel, aber sonst war es überall finster. Wenn es weiter so bewölkt bliebe und die Sonne nicht durchkäme, wäre das natürlich hilfreich, obwohl leider die Wolkendecke nicht niedrig genug war, um die Hubschrauber in Schwierigkeiten zu bringen. Der Hubschrauber würde zurückkommen. »Wir werden so weit oben wie möglich bleiben«, sagte Max. »Auf diesen Höhenwegen kommt man meistens gut vorwärts. Sie sind markiert und werden ganz anständig in Stand gehalten für die Ausflügler, die im Sommer hier wandern.« Er marschierte zügig los, um Bernard zu zeigen, daß er fit und bei Kräften war, aber bald verlangsamte sich sein Schritt. Über einige Kilometer verwehrte ihnen der Buchenwald die Sicht auf das Tal. Unter den Bäumen war es sehr dunkel, man ging wie durch einen langen Tunnel. Das Unterholz war abgestorben, und braunes Farnkraut raschelte unter ihren
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