Gelöscht (German Edition)
Persönlichkeit gelöscht wurden –, damit wir noch mal von vorn beginnen konnten. Das Levo stellt sicher, dass unsere Wiedereingliederung kontrolliert verläuft, bis es in dem Jahr, in dem wir 21 werden, entfernt wird, und zwar am Jahrestag unseres Slatings. Das Ganze ist also eine zweite Chance, für die wir dankbar sein dürfen – wir mussten dafür nicht ins Gefängnis oder auf den elektrischen Stuhl.
Aber im Gefängnis wüsste man zumindest, wer man ist. Bei dem elektrischen Stuhl wiederum nicht mehr sehr lange, zumindest nicht, wenn man etwas getan hätte, das schlimm genug ist, um die Todesstrafe zu rechtfertigen.
Ich beiße mir auf die Lippe. »Willst du es denn nie wissen?«
»Was?«
»Warum du geslated wurdest.«
»Nein. Wenn die Vergangenheit unerträglich ist, warum sollte man sie dann ertragen wollen?«
Ich zucke die Schultern. Weil sie mir gehört .
»Jedenfalls löst das das Rätsel, was mit deinen Zeichnungen geschehen ist.«
»Ach ja?«
»Die Sicherheitsleute müssen sie an sich genommen haben, bevor du die Klinik verlassen hast. Sie wollen nicht, dass irgendjemand weiß, wie Dr. Lysander oder andere Angestellte aussehen oder wie das Krankenhaus aufgeteilt ist. Das ist zu gefährlich.«
Mitgehörtes Geflüster vermischte sich in meinem Kopf, Gerüchte, Gesprächsfetzen und ferner Lärm in der Nacht. Wächter und Türme. Ausgebrannte Gebäude.
»Wegen der Terroristen?«
»Genau.«
Amy knipst das Licht aus. Bald verrät mir ihr ruhiger Atem, dass sie schläft. Sebastian kuschelt sich an meine Seite.
Aha. Dr. Lysander ist also wichtig, und sie haben meine Zeichnungen gestohlen, um ihr Gesicht vor der Welt zu verbergen. Und jetzt habe ich sie noch einmal gemalt. Vielleicht sollte ich das Bild besser verstecken? Das Porträt von ihr ist das beste, das ich jemals gemalt habe.
Obwohl ich die falsche Hand benutzt habe.
Ich bin allein in einem kleinen Raum. Holz umgibt mich. Es ist dunkel, aber ich habe eine Taschenlampe in meiner rechten Hand.
Im Schneidersitz hocke ich auf dem Boden. Ich bin hungrig und alles ist kalt und feucht. Meine Beine werden steif, und es ist nicht genug Platz, um sie auszustrecken, aber das ist mir egal. Das Papier liegt ausgebreitet auf einem Stück Holz auf meinen Knien. Der Bleistift fliegt über die Seite, ein magischer Tanz, den nur ich kontrolliere. Ich schaffe einen imaginären Ort, der weit von hier ist, räumlich wie zeitlich – ein Ort, an den ich mich zurücksehne.
Ich bin so ins Zeichnen vertieft, dass ich zunächst die Schritte nicht höre, die die Treppe über meinem Kopf herunterkommen. Ich knipse die Taschenlampe aus und halte den Atem an.
Die Schritte stoppen – Stille. Dann setzen sie wieder ein und kommen meinem Versteck immer näher. Ich sollte etwas tun, mein Bild verstecken, irgendetwas, aber ich bin wie gelähmt.
Ein Licht geht an und blendet mich.
»Hier bist du.«
Ich sage nichts. Er kann alles sehen – die Zeichnung, den Bleistift. Die Hand, die ihn hält.
»Steh auf!«, schreit er mich an.
Ich krieche aus meinem Versteck, das Licht brennt immer noch in meinen Augen.
»Du kennst die Gründe. Du weißt, wie wichtig das hier ist. Und trotzdem gehorchst du nicht.«
»Tut mir leid. Ich werde es nicht wieder tun. Sicher nicht. Versprochen! «
»Ich habe genug von deinen Versprechungen. Man kann dir nicht trauen.«
Seine Stimme ist voller Bedauern. Traurigkeit sogar.
»Gib mir deine linke Hand«, befiehlt er mir, und als ich nicht gehorche, greift er danach.
»Du musst lernen. Es tut mir leid.«
Und ich glaube schon fast, dass er das wirklich so meint, bis er meine Finger zertrümmert, einen nach dem anderen, mit einem Ziegelstein.
Höllische Schmerzen stechen mir in die Augen und bohren sich wie eine Messerklinge hinein. Unter meiner Zunge ist ein metallischer, bitterer Geschmack. Ich huste.
»Sie kommt zu sich.«
Eine Männerstimme. Wer ist da?
Ich versuche, meine Augen zu öffnen, aber sie brennen, als wäre die Sonne vom Himmel gefallen. Ich stöhne.
»Kyla?« Eine Hand berührt mich. Amy. »Macht die Lampe aus«, sagt sie. Das Licht wird erträglicher und ich blinzle zwischen meinen Lidern hervor.
»Da bist du ja«, lächelt Amy mich an.
Ich liege auf dem Boden und versuche, mich aufzusetzen.
»Beweg dich noch nicht«, höre ich die Männerstimme wieder und ich wende meinen Blick zu ihm. Ein Sanitäter? Und noch einer. Mum steht mit aschfahlem Gesicht in der Tür.
Sie heben mich wieder aufs Bett, Amy hält einen
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