Geloescht
machen?«, frage ich.
»Dad anrufen«, schlägt Amy vor. Mum schüttelt vom Sofa aus abwehrend den Kopf.
»Wie wärâs mit Tante Stacey?« Das scheint für Mum in Ordnung zu sein, also ruft Amy sie an, damit sie vorbeikommt.
Stacey kann einen Teil der Geschichte aus Mum herausbekommen. Ich selbst habe ihr nichts Genaueres erzählt â und auch sonst niemandem: Dass mich zwei der Terroristen in Dr. Lysanders Büro gefunden haben und dass mich einer der beiden beinahe erschossen hätte, behalte ich für mich. Auch die tote Krankenschwester habe ich mit keinem Wort erwähnt. Amy ist völlig fasziniert von Mums Bericht und will auch von mir jedes Detail wissen â doch damit bewirkt sie nur, dass ich umso beharrlicher schweige.
Am Abend wird der Angriff in den Nachrichten erwähnt â ganze fünf Sekunden lang:
Heute haben bewaffnete RT versucht, einen brutalen Anschlag auf das Personal eines der führenden Londoner Krankenhäuser zu verüben. Die Tat misslang.
Das sollten sie mal der Krankenschwester sagen, die in ihrem eigenen Blut gestorben ist.
»Da hast du ja gestern ein ganz schönes Abenteuer erlebt«, sagt Dad, während er mit einem Auge auf die StraÃe achtet und mit dem anderen auf mich.
»Ja, scheint so.«
»Hattest du Angst?«
»Ja.«
»Gut.«
Ich sehe ihn überrascht an. »Du müsstest vollkommen verrückt sein, wenn du dich in dieser Situation nicht gefürchtet hättest«, meint er. »Konntest du trotzdem gut schlafen?«
»Ja.«
»Keine Albträume?«
»Nein.« Ich hatte zwar Angst, meine Augen zu schlieÃen, aber falls ich geträumt habe, kann ich mich an nichts mehr erinnern.
»Interessant. Da passiert tatsächlich mal etwas, vor dem man Angst haben könnte, und du schläfst wie ein Baby.« Er sieht fasziniert aus, als wäre ich ein Rätsel, das er zu lösen versucht. Ich habe das Gefühl, es gefällt ihm gar nicht, wenn er Menschen und Situationen nicht versteht.
»Vielleicht hat die Spritze aus dem Krankenhaus noch gewirkt«, schlage ich vor.
»Vielleicht«, sagt er, aber ich habe das Gefühl, dass er weiÃ, dass die Wirkung des Happy Juice nicht so lang anhält. »Was empfindest du im Hinblick auf die Terroristen?«
Kann er irgendwoher wissen, dass ich zwei von ihnen gesehen habe, dass sie mir direkt gegenüberstanden? Nein. Wie auch? Dad konzentriert sich jetzt voll auf die kurvenreiche, enge StraÃe.
»Nun?«
Was fühle ich gegenüber den Terroristen ⦠Ich konnte nicht aufhören, an sie zu denken. Sie haben vor sechs Jahren einen Bus voller Schüler in die Luft gesprengt und gestern eine Krankenschwester getötet ⦠»Sie sind böse«, sage ich.
»Manche denken, dass sie nicht ganz unrecht haben. Dass die Lorder zu weit gehen, dass sie die eigentlich Bösen sind. Dass das, was in diesem und anderen Krankenhäusern geschieht, falsch ist.«
Meine Augen werden groà vor Schreck darüber, dass er es wagt, so etwas auszusprechen, auch wenn er nur von
manchen
â unpersönlich und gesichtslos â spricht. »Aber die RT töten Menschen, unschuldige Menschen, die mit all dem
nichts
zu tun haben. Es ist doch egal warum, es ist immer noch falsch.«
Er neigt den Kopf von links nach rechts, als würde er meine Antwort abwägen. »Also sind es ihre Methoden, an denen du Anstoà nimmst, weniger an ihrer Haltung? Interessant.«
Er biegt zur Schule ab. Ich wollte ihn eigentlich fragen, ob er noch kurz warten kann, weil ich mir nicht sicher bin, ob Ferguson von Mrs Ali die Anweisung bekommen hat, mich auch vom Sonntagstraining auszuschlieÃen. Aber plötzlich will ich nur noch raus aus dem Auto, weg von Dad und seinen Fragen. Die Art, wie er
interessant
sagt, verrät, dass viel mehr hinter jedem einzelnen seiner Worte steckt.
Heute ist Ferguson schon vor den meisten Schülern da. Er begrüÃt mich mit einem Nicken, als ich aus dem Auto steige, und scheint nicht überrascht zu sein, dass ich hier bin. Dad winkt kurz und fährt wieder.
Mum hat darauf bestanden, dass ich heute zu Hause bleibe, aber Dad meinte, dass sie mich ohnehin nicht die ganze Zeit im Auge behalten kann und dass ich genauso gut zum Training gehen könnte. Heute Morgen war sie wieder ganz sie selbst, auch gestern Abend schon. Nachdem Tante Stacey gegangen war und wir zu Abend gegessen
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