Gemeinsam stark in Virgin River (German Edition)
leben, aber zum Teufel damit. Die Sache ist die, Noah, dass ich sie alle retten will. Ihnen wenigstens sauberes Wasser bringen will. Am liebsten würde ich sie in einer Einrichtung unterbringen, wo sie sauberes Bettzeug hätten. Aber Tatsache ist, dass sie das eigentlich nicht wollen oder glauben, es nicht zu brauchen. Es gibt zweifellos Menschen unter ihnen, die von Drogen abhängig sind, oder andere, die dabei sind, mental zu erkranken – Alkoholiker, Depressionen, Kriegstraumata. Da ist alles möglich, obwohl ich nicht weiß, ob sie schon mal untersucht worden sind. Selbst wenn sich an ihrer Situation so schnell nichts ändert, schaden so ein paar Vitamine und ein bisschen Essen auch nichts. Diese alten Jungs leben hauptsächlich von Fisch und Eichhörnchen. Und im Winter sind sie kurz vorm Erfrieren. Aber sie würden weder in die Stadt noch in eine Unterkunft für Obdachlose gehen. Sie wissen, dass sie in Eureka Hilfe bekommen könnten, aber das interessiert sie nicht.“
„Und falls Jack doch etwas herausbekommt?“
„Dann wird er einen Riesenaufstand machen. Vielleicht wird er sie dann wieder verjagen. Oder er versucht, sie mit rechtlichen Mitteln zu vertreiben. In einem Punkt hat er vielleicht recht – wenn sie zu nah an der Stadt wohnen und sich gefährliche Typen unter sie mischen, dann könnte sich das zu einem großen Problem auswachsen. Aber ich habe ebenfalls recht – obdachlos zu sein verstößt gegen kein Gesetz. Soweit ich weiß, tun sie niemandem etwas. Falls sie das Gesetz missachten, müssen sie vermutlich weg.“
„Ist das die einzige Gruppe Obdachloser, von der du weißt?“, fragte er.
„Die einzige in dieser Gegend, aber June Hudson, eine Ärztin aus Grace Valley, kümmert sich um ein improvisiertes Lager in der Nähe ihrer Stadt. Sie hat einige von ihnen behandelt. Dort leben auch ein paar Familien – einige davon halten sogar Tiere, Maulesel, Ziegen, Hühner und solche Viecher.“
„Oh, Gott“, sagte Noah. „Ich habe schon oft Menschen gesehen, denen das Leben sehr schwer mitspielt, aber aus irgendwelchen Gründen hätte ich hier so etwas nie vermutet. Ich dachte wohl, dass es Obdachlosigkeit nur in den größeren Städten gibt.“
„Kann ich verstehen. Ich war auch so naiv. Es gibt eine Menge Leute, die irgendwo in einsamen Hütten in den Bergen hausen. Wenn wir etwas über sie wissen, versuchen Cameron und ich, mit ihnen Kontakt aufzunehmen. Wir fahren oft zusammen los, aber jetzt ist er gerade Vater von Zwillingen geworden und war in letzter Zeit ein bisschen selten in der Stadt.“
„Mel“, sagte Noah leise. „Du hast was von einer Missionarin.“
„Nö. Ich kümmere mich einfach gerne um andere Leute.“
„Das machen Missionare üblicherweise auch. Das hat nicht immer nur etwas mit Bibellesungen zu tun“, sagte er grinsend. „Bevor du erwarten darfst, dass dich jemand in sein Herz blicken lässt, musst du ihm den Magen füllen. Seid ihr beide, Cameron und du, die Einzigen, die von diesen Leuten wissen?“
„Vielleicht, aber vermutlich nicht. Jack wusste auch von ihnen, als sie noch näher an der Stadt wohnten, aber er hat sie einfach ignoriert. Bis es Ärger gab.“
„Hat er ein Problem damit, wenn du zu diesen einsamen Hütten fährst, um die Leute zu untersuchen?“
„Manchmal erzählt mir jemand, dass er schon lange keinen Rauch mehr aus dem Kamin des Nachbarn hat kommen sehen oder dass jemand bettlägerig ist und Medizin braucht. Dann fährt Jack mit mir dorthin und wartet im Auto. Jack ist bekannt dafür, dass er mal für einen dieser alten Kerle, der keine Axt mehr halten konnte, Holz gehackt hat. Manchmal fahre ich auch mit Cameron dahin. Ich muss wirklich vorsichtig sein. Manche dieser Leute wollen nicht gestört werden. Manche sind mental nicht besonders berechenbar. Manchmal sogar gewalttätig. Glaub mir, ich setze nicht leichtsinnig was aufs Spiel. Und das solltest du auch nicht.“
Er lächelte sie an. Sie wusste, was los war. Sie hatte ihn nicht ohne Grund mitgenommen und ihm alles gezeigt und erzählt. Denn das gehörte auch zu den Aufgaben derjenigen, die sich gerne um Menschen kümmerten. Was sie nicht wusste, war, dass sein Vater ein wohlhabender, einigermaßen berühmter Fernsehprediger war, der unglaublich viel Wirbel darum machte, den Bedürftigen zu helfen, und es dennoch nie fertiggebracht hatte, sich die Hände schmutzig zu machen. Er hatte sich meist mit reichen Menschen umgeben. Zu seinem Freundeskreis gehörten Politiker,
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