Gemischte Gefühle
Langustenrot, Korallenr o sa, Quallenlila, Papageienfischgelb und Pfahlmusche l schwarz. Schwarz war für ihn eine echte Farbe. Im Auge n blick allerdings fühlte er weder Lust noch Neigung, um Sp i ca das ganze blitzende Farbfeuerwerk zu beschreiben, das nach dem Abfräsen der Mittelzacke seiner Trident-Antenne in seinem Gehirn explodierte, rotierte und implodierte. M i nutenlang hatte er sich auf dem Kabinenboden gewunden und wie ein erstickender Fisch auf dem Trockenen nach Luft geschnappt. Gebeutelt von unbekannten Kräften hatte er zwischen Schüttelfrostanfällen und Schweißausbrüchen g e stöhnt und geschrien, bis der Freund es mit der Angst zu tun bekommen hatte. Mit Mühe und Not hatte der Physiologe ihn in die Taucherkombination gesteckt und ihn kurz en t schlossen unter dem Vorwand einer Rettungsübung aus der Notluke des Aquacontainers gesprengt. „ Jetzt aber “ , schloß Krabbe seinen Bericht , „ kommt es mir vor, als ob ich wer weiß wohin zurückgefunden habe, in etwas, das einmal me i ne Heimat war. “
„ Heimat? Ist das ein Ulkwort? Hab ’ ich noch nie gehört. “ Die ganze Zeit über hatte sie sich nicht gerührt. Nun muste r te Spica ihn mit einem mißtrauischen Seitenblick. „ Ich muß dich der Zentrale melden, Krabbe. “
„ Das sagst du nur, weil du manipuliert bist. Von allen Enzymschwestern bin ich zu dir gekommen, Spica. Du warst das einzige Zielobjekt für mein Geheimnis. “
„ Weshalb exakt ich? “ Sie rückte von ihm ab.
„ Weil auch du den Himmel sehen willst und die Sterne. Einen ganzen Tag lang, hast du gesagt, und eine ganze Nacht. “
„ Das klingt lyrisch. Lyrik ist verboten! “ Sie schickte sich an, in ihren kupferfarbenen Overall zu schlüpfen, was auf dem Wasserbett eine Menge Balancegefühl voraussetzte.
„ Du wolltest sogar einen Hund. Das ist auch verboten! “ erinnerte Krabbe sie und half ihr beim Anziehen. „ Du bist etwas Außergewöhnliches, Spica. Du stehst über der Norm. “
„ Ich habe mich damit bereits verdächtig gemacht. “
Krabbe drehte den Ionenaktivator auf Maximum. Ein le i ses Flirren, das man körperlich zu spüren glaubte, erfüllte die Kopulationszelle.
Krabbe kniete sich entschlossen vor Spica auf die Glucksmatratze. „ Weißt du, was ich vorhabe? Ich werde auftauchen. 1 “
Das Mädchen schloß die Magnetbänder ihres Overalls bis zum Hals. „ Das kannst du nicht, Krabbe! Die Schutznetze über uns lassen niemanden an die Oberfläche. Die Zuchta l genteppiche würden dich ersticken. “
„ Dann werde ich zur freien Fahrrinne tauchen. “
„ Dort würdest du vom Fanggürtel der fleischfressenden Pflanzen erwürgt werden. “ Spica verzog den Mund. „ Falls dich nicht vorher einer der radargesteuerten Killerwale a b fängt. “
„ Aber ich will doch nur ein Mal, ein einziges Mal, echte Luft atmen, freie Luft! “ hielt ihr der Junge mit verzweifelter Entschlossenheit entgegen.
„ Deine Lungen würden dabei zerplatzen. “ Ihr Ton klang erschreckend sachlich. „ Wer schon so lange das Kunstg e misch inhaliert wie wir, für den bedeutet die Rückkehr in die freie Atmosphäre den Tod. “
Krabbe schlug mit der Faust auf das Wasserkissen, daß es laut platschte. „ Ich will und ich werde es versuchen. “
„ Wer den Draufgänger spielt, geht drauf, lautet die ps y chomathematische Formel. “
„ Begreifst du denn nicht? Die Bonzen haben uns in die Tiefe verbannt, damit sie oben mehr Freiraum haben! “
„ Sie haben uns nicht verbannt, sie haben uns auserwählt. Wir sind das neue, katastrophensichere Harmoniemodell. Du verläßt den Boden der Realität, Krabbe. “
„ Ich bin unterwegs zu einer neuen Realität. Ich werde le r nen, wieder selbständig zu denken. “
„ Aber wozu? “ rief Spica und versuchte ihm ins Gewissen zu reden. „ Wir haben im Monument doch alles, was wir brauchen! Der Große Betreuer hat uns mit den abgesenkten Atom-U-Booten ein Milliardenvermögen überantwortet. “
„ Sie haben uns in die Boote gezwungen! Wir leben in Wracks, in Luxussärgen. “
Spica ließ sich von Krabbes Erregung nicht anstecken. „ Ich lebe in Frieden in Trident Village! Ich schlafe in der Schlafmaschine, ich lerne in der Lernmaschine, ich kopuli e re in der Kopulationszelle, ich beziehe meine Umwelterle b nisse aus dem Televisionsnetz …“
„ Großartig! “ unterbrach der Junge ihre Litanei. „ Großa r tig! Der Informator informiert dich, das elektronische Lex i kon korrigiert dich, der
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