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Gemischte Gefühle

Gemischte Gefühle

Titel: Gemischte Gefühle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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Zentralcomputer kontrolliert dich, und der Große Betreuer manipuliert dich. “ Er hätte dieses standardisierte Wesen am liebsten so lange geschüttelt, bis … Aber er beherrschte sich. Temperamentsausbrüche auf e i nem Wasserbett blieben selten ohne komische Nebene f fekte.
    „ Ich bin geborgen im totalen Miteinander. Ich bin frei! “ Spica zog die Beine unter sich, setzte sich auf ihre Fersen und faltete die Hände zum Gebet:
    „ Großer Betreuer,
    Der du bist allgegenwärtig,
    Über dem Wasser
    Wie auch hier auf dem Meeresboden,
    Zu uns komme deine Energie und Weisheit,
    Dein Wille sei unser Wille.
    Unsere täglichen Minimine gib uns heute.
    Erhalte uns den Fetisch des Fortschritts,
    Führe uns in die große Verheißung
    Und erlöse uns
    Vom Übel der Vergangenheit. “
    „ Ja, winsle nu r, U nsere täglichen Minimine gib uns he u te! ’ Weißt du auch, warum sie uns damit vollstopfen? Damit wir zwergenwüchsig bleiben! Damit uns die engen U-Boot-Wracks wie weiträumige Villen erscheinen! Damit wir der neuen ökologischen Sparformel entsprechen, dem neuen Anpassungsideal! “
    Spica kauerte sich wie ein Embryo zusammen und preßte die Handflächen in den Schoß. „ Dein Denken ist deformiert. Ich höre dir nicht mehr zu, Krabbe. “
    Mit einem Mal wurde der Junge ganz ruhig, schwang die Beine vom Bettpodest und blieb mit geradem Rücken sitzen. Etwas wie Hellsichtigkeit überkam ihn; eine Hellsichtigkeit, die er klaren Herzens zu genießen begann, obwohl die Pe r spektiven, die sich ihm öffneten, zwielichtig und dämonisch erschienen …
    „ Sie haben uns an Phantasieaktivatoren gekoppelt, um unser gesundes Vorstellungsvermögen zu deformieren. Sie haben uns in ihrem unmenschlichen Humanmodell zu hal b synthetischen Marionetten gemacht. Ich will dir sagen, wa r um es in ganz Trident Village kein einziges Tier gibt, o b wohl sich in jedem der sechsunddreißig Boote eine Labor a toriumszelle befindet: weil die Bataillone zu Tode exper i mentierter Rhesusaffen ausgedient haben. Weil wir jetzt an der Reihe sind! Das ganze Monument mit seinen 864 Life-Paß-Eignern. Wir sind jetzt das Versuchsobjekt Nummer eins. “
    „ Du bist außer Kontrolle, Krabbe. Du bist verrückt “ , wimmerte Spica vor sich hin und versetzte sich in eine Pe n delbewegung wie in einer Kinderwiege.
    „ Ich bin nicht verrückt “ , antwortete Krabbe sanft, aber bestimmt. „ Im Gegenteil, ich nähere mich endlich dem Normalen. Und darum sage ich dir, daß unser Fleisch weiß ist wie Fischfleisch. Daß unsere Körpertemperatur immer weiter absinkt, weil wir uns zu Kaltblütlern wandeln. Der Amphibia-Effekt ist der Schlager unserer Generation! Ch e mische Hauthärter verschuppen unsere Epidermis. Unsere lidlosen Augen glotzen immer muräniger. Und bald werden unsere Ohren zu Kiembögen verkümmern. Es lebe der For t schritt in den Rückschritt. Der Aufbruch in die Urepoche hat begonnen. Gewebe wuchern für eine bessere Zukunft. Es tut j a n icht weh. Die Zeit bringt den Tod! Bete um die Gnade, daß du bald ersticken darfst, du mein kleiner, verlöschender Fixstern. “
    Trotzig rappelte sich Spica auf die Knie hoch. „ Ich werde leben! Ich bin weder eine Marionette noch ein Roboter. Ich bin ein …“ Sie stockte.
    „ Was? “
    In der Pause, die entstand, schaltete das Mädchen den I o nengenerator aus.
    Um dem Würgegriff der totalen Stille zu entkommen, sagte Krabbe: „ Siehst du, du kannst es nicht einmal ausspr e chen, was du bist. “
    „ Du willst dich opfern. Ich habe gelernt, daß Opfer sin n los sind. “
    Krabbe stand auf. „ Falsch, Spica. Nur vor dem Opfer sind die Mächtigen machtlos. Nur mit den Opfern in seinen Fangarmen ist unser Betreuer, der große Krake, wehrlos. Ich habe keine Zeit mehr zu verlieren. Ich weiß, daß du mich der Zentrale melden mußt. Für einen kleinen Vorsprung – aus alter Freundschaft – wäre ich dir sehr dankbar. “
    Spica nahm die Taucherkappe vom Wasserbett, rutschte zu Krabbe und reichte sie ihm. Ihre Makrelenaugen schi m merten tränenlos.
    „ Bitte mich ausschleusen zu dürfen …“ Es klang wie eine Liebeserklärung. Aber so etwas gab es in Trident Village nicht.
     
    Krabbe schwamm. Zum ersten Mal fühlte er sein Herz wie eine überanstrengte Pumpe arbeiten. Fische flitzten an ihm vorbei oder hielten sich auf Parallelkurs. Der Richtung s kompaß in seinem Tauchhelm ließ sich auf einen Lei t ton programmieren, der selbst einen Blinden noch sicher ans Ziel gesteuert hätte. Er

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