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Generation Laminat - mit uns beginnt der Abstieg

Generation Laminat - mit uns beginnt der Abstieg

Titel: Generation Laminat - mit uns beginnt der Abstieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Fischer
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Willensbildung und -kundgebung.
    Um politische Forderungen überhaupt entwickeln zu können, müssten wir Mitglieder der Generation Laminat erst mal unsere eigenen Interessen erkennen, dann, sagt Ulrike Herrmann, würde auch die Politik sich verändern, und zwar in allen Parteien. Wie schnell Parteien sein können, wenn es darum geht, der Mehrheit zu folgen, sieht man an dem Atomausstieg von Angela Merkel. Oder daran, dass die CSU mittlerweile eine Frauenquote hat.
    Um wirklich etwas zu verändern, reicht es jedenfalls nicht, im Bio-Supermarkt einzukaufen und auf Plastiktüten zu verzichten. Es reicht auch nicht, den Stromanbieter zu wechseln und weniger zu fliegen. »Das allein«, sagt Stephan Lessenich, der eine mögliche »Nichtwachstumsgesellschaft« erforscht, »wird natürlich keine Änderung herbeiführen.« Veränderung muss politisch gewollt sein und entsprechend politisch reguliert werden durch veränderte Gesetzgebung. Der Einzelne ist viel zu sehr dem Streben nach Status, den gesellschaftlichen Signalen ausgeliefert, und Unternehmen handeln unter Marktbedingungen. Ein Wandel vom Eigeninteresse hin zu einem sozialeren Verhalten, zum Bewahren dessen, was wirklich zählt, kann sich nur durch grundsätzliche strukturelle Veränderungen entwickeln, die vom Staat ausgehen müssen. 169 »Der Staat«, das meint: Politiker. Doch dafür müssten erstens Politiker zur Verfügung stehen, die eine solche Veränderung wollen, und sie müssten zweitens auch gewählt werden, um diese Veränderung durchsetzen zu können. »Solche politischen Akteure werden nur entstehen, wenn das Bewusstsein dafür breiter wird, wie eng die Sachen miteinander zusammenhängen und dass es mit dem individuellen Bio-Konsum nicht getan ist«, sagt Stephan Lessenich. Auch er teilt die Überzeugung, dass politische Parteien den Stimmungen im Volk folgen, sie zwar kanalisieren, aber nicht erzeugen.
    169 Tim Jackson: Wohlstand ohne Wachstum, S. 172
    Das bedeutet: Wir sind es, die die Politik bestimmen. Wir glauben nur ebenso wenig daran wie der mutlose Herr im Zug.
    Als ich einem unserer Radiotechniker nach der gemeinsamen Produktion eines Beitrags erzählt habe, ich würde einen anderen Job antreten, ergriff der die Gelegenheit, sich mal so richtig aufzuregen. Seit Jahren, wetterte er, würde im Funk die Einzelkämpfer-Mentalität immer stärker und stärker, alle hätten Angst, keiner der Freien wüsste doch, ob er im nächsten Jahr noch hier arbeiten würde, und deshalb würde jeder vor sich hinwursteln, ängstlich darauf bedacht, sich sein Stückchen vom Kuchen zu sichern. Das Zusammengehörigkeitsgefühl sei total verloren gegangen, alle seien konkurrent duckmäuserisch und feige. Und er könnte kotzen, wenn er das so sähe, und noch mehr, wenn er sich überlege, wo das alles mal hinführen solle.
    Während ich diesem überraschenden Ausbruch beiwohnte, dachte ich wieder einmal, dass diese Beschreibung eines Arbeitsplatzes die Beschreibung der Gesellschaft sei. Soziologen sprechen von Reindividualisierung, Entkollektivierung oder auch von Fragmentierung. Das große »Wir« zerfällt zunehmend in lauter kleine »Wirs« und noch kleinere »Ichs«. Und irgendwann hat Margaret Thatcher Recht, dann gibt es so etwas wie Gesellschaft nicht mehr, sondern nur noch einzelne Menschen und Familien, die sich gegen andere einzelne Menschen und Familien verteidigen. Bei Anna jedenfalls löst das Wort »Gesellschaft« bereits jetzt schon negative Gefühle aus. »Wenn ich das Wort Gesellschaft höre, dann hab ich erst so ein Gefühl, als müsste ich gut aufpassen. Gesellschaft besteht ja auch aus ganz vielen Jugendlichen, die keine Idee, keine Visionen, keine Zukunftsmöglichkeiten haben, die brutal werden, an die man dann auch gar nicht mehr drankommt. Menschen, die mir im Alltag überhaupt nicht mehr begegnen. Von denen lese ich ab und zu oder treffe die mal, wenn ich am Bahnhof bin, und kriege dann sofort Angst. Ich glaube, da unten passiert gerade was, was wirklich sehr gefährlich ist.« Ihrem Mann Jörg, der seit Kurzem stolzer Eigenheimbesitzer ist, geht es ähnlich: »Ich glaube, wenn sich hier die sozialen Außenstände verschärfen würden und irgendwelche Nachbarn sagen würden: ›Komm, wir ziehen jetzt mal eine fette Mauer um das Viertel und machen Nachbarschaftsdienst‹, ich würde mitmachen.«
    Diese Art von Entkollektivierung können wir paradoxerweise nur kollektiv verhindern. Dafür müssen wir uns darüber klar werden, dass diejenigen, die

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