Generation Laminat - mit uns beginnt der Abstieg
schwieriger werden, ein Bewusstsein darüber entsteht, dass Arbeit und Konsum nicht das Himmelreich sind, liegt genau darin die Chance zu Veränderung.
»Der Mensch ist ein Tier, das sterben muss, und wenn er Geld hat, dann kauft er und kauft«, sagt Big Daddy in Tennessee Williams’ Stück »Die Katze auf dem heißen Blechdach«. »Und er kauft, was er kriegen kann, glaube ich, weil tief in ihm drin die verrückte Hoffnung steckt, dass er was kauft und dann merkt – es ist das ewige Leben.«
Wir sind Verbraucher geworden. Wir verbrauchen Dinge. Ist das alles, was wir tun wollen? Es ist jedenfalls auf keinen Fall das, was wir noch lange tun können, wenn wir die umfassende wirtschaftliche und ökologische Krise, in der wir stecken, ernst nehmen. Deshalb ist es wichtig, das Unbehagen an einer sich spaltenden Gesellschaft ernst zu nehmen und es nicht mit dem Hinweis auf die viel schlechteren Lebensbedingungen im Rest der Welt zu beruhigen. Im Gegenteil: Unser Wohlstand und unsere Bildung verpflichten uns zum Handeln und nicht zum Stillhalten. »Wir haben eine Verantwortung im Westen. Wir haben 200 Jahre fossile Energie verbrannt und unsere Wirtschaft damit aufgebaut.« 165
165 Ebd., S. 198
2. Sich schlau machen. Die Gesellschaft, in der wir leben, ist von uns gemacht. Das war meine zentrale Erkenntnis während der Arbeit an diesem Buch. Wir vergessen das sehr leicht und nehmen Arbeits- und Lebensbedingungen als unabänderliche Naturgesetzlichkeiten hin. Aber das sind sie nicht. Natürlich sind sie komplex miteinander verflochten. Dennoch kann man sie ändern.
Aber dafür muss man sie erst mal kennen. Für mich war neu und erhellend, zu erfahren, welche immense Rolle die Gestaltung von Arbeitsverhältnissen für diese Gesellschaft spielt. Wie die Steuergesetzgebung sich seit den neunziger Jahren permanent zu Ungunsten der Arbeitnehmer verändert hat. Wie die Sozialsysteme ausgehöhlt werden. Welche Wege eine PET-Flasche rund um die Welt nimmt. Wie ernst die Klimaerwärmung zu nehmen ist. Wie sehr unser Wirtschaftssystem auf Ausdehnung und Wachstum angewiesen ist, und dass in einer endlichen Welt dieser Ausdehnung und diesem Wachstum Grenzen gesetzt sind. Auch wenn wir nun in Ermangelung von weiterem Raum auf die Ausbeutung von Zeit umgestiegen sind und durch Schuldenaufnahme und Ressourcenverbrauch die Zukunft unserer Kinder konsumieren – das ändert nichts daran, dass unserer Wirtschaftsweise Grenzen gesetzt sind. Wir haben sie nur in die Zukunft verschoben.
Ich wusste das alles nicht. Ich hatte mich nicht schlau gemacht. Dabei gibt es so viele Wissenschaftler, die unsere Welt dahingehend erforschen. Das hat mich fast am meisten überrascht: Dass bereits so viel Wissen vorhanden ist, und zwar nicht nur in Fußnoten der wissenschaftlichen Fachliteratur. Doch die Lebensweise von Arbeit und Konsum fordert eben ihren Tribut. Wie der Herr im Zug schon bemerkte: Zum Lesen fehle ihm die Zeit. Mittlerweile würde ich meiner Kollegin Christine Recht geben: Wer so argumentiert, sollte seinen Pass abgeben. Bürgerrechten stehen Bürgerpflichten gegenüber, und eine lautet: sich schlau machen.
3. Anders handeln. »Eine Person fehlt in meinem Leben«, schreibt der Kolumnist Axel Hacke, »ein Erlediger«.
»Was habe ich schon für Möglichkeiten«, hatte der Herr im Zug schulterzuckend bemerkt. Eine solche Haltung macht es sich mit Resignation und Mutlosigkeit recht bequem, denn sie ist die Entschuldigung dafür, gar nichts zu tun. Aber wir besitzen mehr Handlungsspielräume, als wir glauben, auch das habe ich bei der Arbeit an diesem Buch gelernt. Obwohl wir das Gefühl haben, Opfer zu sein, sind wir auch Täter.
Wenn wir beispielsweise das bisschen, was von unserem Mittelstandsgehalt dann doch noch übrig bleiben sollte, nicht aufs Sparbuch bringen, weil uns da die Zinsen zu gering sind, sondern in Aktien oder Fonds stecken. Habe ich auch gemacht. Zur Alterssicherung. Nachdem ich einen langen Bericht über weibliche Altersarmut in einer Frauenzeitschrift gelesen hatte.
Oft ist es nicht besonders viel, irgendetwas zwischen 5000 und 80000 Euro, das durchschnittliche Mittelschichtsvermögen beläuft sich auf etwas über 60000 Euro pro Person. Und es steckte bis zur Finanzkrise 2008 meistens in Fonds. Dieses Geldanlageverhalten hat Folgen: Wenn der Überschuss an Geldvermögen nicht mehr im Inland angelegt wird, fließt er in die internationalen Kapitalmärkte ab. Beispielsweise wurde dieses Kapital in US-amerikanische
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