Übersetzt du noch oder verstehst du schon?
Zunächst ein wenig Werbung
Werbung will letztlich immer nur das Eine: Sie will verkaufen. Das ist legitim, denn dafür ist sie da. Und weil das so ist, darf Werbung sehr vieles: Sie darf verführen und begeistern, sie darf erklären – und bestenfalls auch überzeugen. Dafür setzt sie Bilder und Personen ein, Musik und Farben und manchmal sogar Düfte. Basis der Werbung aber ist und bleibt in allererster Linie die Sprache.
Um diese Sprache und ihre wunderlichen Kapriolen – oft zum Lachen, manchmal aber auch nur noch zum Heulen – soll es hier gehen. Denn was passiert eigentlich, wenn Werbung nicht mehr verführt, begeistert oder erklärt, sondern wenn sie nur noch verwirrt? Wenn merkwürdige Formulierungen in Englisch, Denglisch oder in sonstigen – meist missverständlichen – Sprachen den Konsumenten eher verunsichern als informieren?
Aufklärung ist geboten, Hintergründe sollen geschildert werden, die Wahrheit enthüllt über die Wirkung einer Werbesprache, die häufig falsch eingeschätzt wird. Ich kenne beide Seiten; seit über zwanzig Jahren mache ich selbst Werbung, untersuche aber auch regelmäßig das Verständnis – insbesondere englischer Werbung – in Deutschland. Die daraus gewonnenen, häufig überraschenden und äußerst amüsanten Erkenntnisse bilden die Grundlage dieses Buches.
Allein schon deswegen keine Sorge: Weder ein erhobener Zeigefinger noch Rechthaberei sollen dabei eine Rolle spielen, und ich bin auch gar nicht für oder gegen eine bestimmte Sprache, sondern möchte einfach nur zeigen, wie auch hoch bezahlte Experten in – zugegeben höchst komischer Weise – irren können, wie Marktforschung ad absurdum geführt wird und wie einige bekannte Marken letztlich ihre eigene Werbung nicht mehr verstehen. Doch wie komme ich dazu?
Wie alles begann
Es war im Jahr 2003. Ein bekanntes mittelständisches Unternehmen, das lieber nicht genannt werden möchte, bringt wieder eine neue Generation seiner Heizkörper an den Start. Nun wird gemeinsam mit der betreuenden Werbeagentur darüber beraten, wie man die Vorteile der neuen Produktlinie mit schönen Worten bewirbt. Von vielen Vorschlägen landen schließlich drei in der Endauswahl und zwar:
die „superior executive line“
die „advanced category“
die „executive challenge line“
Da man sich nicht entscheiden kann, wird ein Marktforschungsunternehmen beauftragt, herauszufinden, welcher der drei Sprüche beim Kunden am besten ankommt. Bei einer Befragung im Rahmen einer sogenannten Fokus-Gruppe mit fünfzehn potenziellen Kunden (in diesem Fall handelte es sich um Handwerksmeister aus dem Installationsgewerbe) zeichnet sich schon ein klares Votum für die „executive challenge line“ ab, als etwas Ungeheuerliches geschieht.
Einer der gestandenen Handwerksmeister fragt: „Was heißt eigentlich executive ?“ Plötzlich ist es mucksmäuschenstill im Raum, und alle Köpfe wenden sich dem Fragenden zu. „Das weißt du nicht?“, fragt sein Sitznachbar ungläubig. „Nein, was heißt es denn nun?“, erwidert der Angesprochene. Die Stille im Raum weitet sich aus, bis jemand von gegenüber antwortet: „Das heißt staatlich oder so; jedenfalls gibt es eine Exekutive und die hat etwas mit unserem Staat zu tun.“ Jetzt mischt sich der Nächste ein: „Eine staatliche challenge ? Was heißt eigentlich challenge genau?“
Keiner der fünfzehn Handwerker, drei davon immerhin mit Fachabitur, konnte den Spruch so übersetzen, wie er von der Werbeagentur gemeint war, nämlich als „die führende Herausforderungslinie“,wobei ein Kommentar über die Sinnhaftigkeit dieser Zeile wahrscheinlich auch eher in einer gewissen Ratlosigkeit mündete.
Kein Wunder, dass das Verhältnis zwischen Agentur und Auftraggeber etwas zerrüttet war. Damit aber der Auftraggeber, der sich ausdrücklich einen englischen Spruch gewünscht hatte, das Gesicht wahren konnte, wurde nicht etwa auf Deutsch umgestellt, sondern einfach auf jeglichen Spruch verzichtet. Auch so kann Werbung funktionieren.
Allerdings gab dieses Ereignis für mich den Anstoß, die fremdsprachliche Werbung in Deutschland genauer unter die Lupe zu nehmen. Wer versteht was? Das war die Kernfrage mehrerer, inzwischen sehr bekannter Studien, bei denen seit 2003 regelmäßig insgesamt über dreitausend Menschen zu verschiedenen Werbesprüchen befragt wurden. Die erstaunlichen Ergebnisse der nach der ausführenden Agentur benannten „Endmark-Claimstudien“ liefern eine der Grundlagen
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