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Geopfert - [Gus Dury ; 1]

Geopfert - [Gus Dury ; 1]

Titel: Geopfert - [Gus Dury ; 1] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Zalinskas, über Cardownie und das Filmmaterial und alles andere, was ich die letzten Male ausgelassen hatte. Die ganze Zeit saß er ruhig da und hörte zu. Er schien alles zu registrieren, was ich sagte, es abzuspeichern, doch seine Augen sahen tot aus.
    »Tut mir leid, dass ich nicht auf alles eine Antwort gefunden habe.«
    »Macht nichts«, sagte er. »Was ist jetzt noch groß von Bedeutung?«
    »Ich wollte dir so etwas wie eine Auflösung liefern, Col, das weißt du.«
    »Was hättest du sonst tun können? Sie haben die Schotten dichtgemacht. Du hast getan, was du konntest, Gus. Und dafür bin ich dir sehr dankbar.«
    Ich hatte ein Taxi gerufen. Der Fahrer legte sich vor dem Pub auf die Hupe.
    »Was wirst du jetzt tun?«, fragte Col.
    »Eine Weile verschwinden. Vielleicht krieg ich’s hin, mich wieder mit Debs auszusöhnen – na ja, vielleicht.«
    »Du hast ein bisschen Glück verdient.« Er beugte sich vor, zog mich zu sich, umarmte mich. Ich fand, er fühlte sich kalt an. »Danke, Gus Dury.«
    Ich spürte Tränen in den Augen, aber es war mir egal.
    »Das ist kein Abschied, Col.«
    »Ach, ich glaub schon.«
    Er nahm meine Hand und schüttelte sie. »Ich wünschte, mein Sohn wäre mehr so gewesen wie du, Gus.«
    Es fühlte sich wie das größte Kompliment meines Lebens an.
    Das Taxi hupte wieder.
    »Ich muss los.«
    »Dann mach’s mal gut.«
    Wir hatten keine Zeit, uns mit einem längeren Lebewohl aufzuhalten; dafür war ich dankbar.
    Ich sagte dem Taxifahrer, er solle mich zum Haus meiner Mutter bringen. Ich wollte die Urne abholen und dann die Stadt verlassen. Ich dachte nicht weiter als bis zu dem Punkt, Milos Asche in seine Heimat zurückzubringen. Wenn ich Debs überreden könnte, mich zu begleiten, würde ich weitersehen.
    Eine Autoschlange zog sich Stoßstange an Stoßstange die Straße zu meiner Mutter hinunter.
    »Können Sie warten?«, fragte ich den Taxifahrer. »Dauert nur eine Minute.«
    Ein Schnauben. »Ich muss aber das Taxameter laufen lassen.«
    »Na, dann mal los.«
    »Kann sein, dass ich abbiegen muss. Und länger als fünf Minuten kann ich nicht warten.«
    Ich flitzte ins Haus. Meine Mutter saß mit meiner Schwester im Wohnzimmer.
    »Gus«, sagte Cathy, »was ist los?«
    »Ich kann nicht bleiben. Wie geht’s dir, Mum?« Sie schaute nicht mal auf, starrte nur auf einen unbestimmten Punkt an der Wand.
    »Sie ist nicht ganz bei sich. Der Arzt hat ihr etwas verschrieben«, sagte Cathy.
    »Wird sie wieder?«
    Cathy drehte sich um, begleitete mich in den Flur und schloss hinter uns die Tür.
    »Es wäre nett, wenn du ein bisschen mehr hier wärest, weißt du. Sie braucht jetzt ihre Familie.«
    »Cathy, das ist jetzt wirklich keine gute Zeit.«
    »Du bist ihr Sohn.«
    Der Taxifahrer wurde ungeduldig, drückte wieder auf die Hupe. »Vielleicht demnächst. Aber vorher muss ich eine Weile verschwinden.«
    Ich wandte mich von ihr ab, ging zum Garderobenschrank und nahm die Urne mit der Asche herunter.
    »Wie du willst«, sagte Cathy. Sie wirbelte herum, ging ins Wohnzimmer zurück und knallte die Tür zu.
    Ich wollte noch etwas sagen, aber ich wusste, dass die Zeit gegen mich lief. Ich holte die Glock aus dem Versteck neben der Asche und schob sie mir in den Hosenbund.
    Als ich aus dem Haus lief, meckerte mir der Taxifahrer entgegen. »Ich kann nicht den lieben langen Tag hier rumsitzen und die Straße blockieren, verstehen Sie. Kann von Glück reden, dass ich keinen Strafzettel kassiert habe.«
    Mir schwirrte der Kopf. Mit der Hand streifte ich den Knauf der Glock, und ich dachte kurz daran, sie dem Taxifahrer an den Kopf zu halten, nahm mich dann aber zusammen.
    »Und wo geht’s jetzt hin?«, fragte er. »Na?«
    Wo ging’s jetzt hin? Welche Möglichkeiten hatte ich denn noch? Ich wusste, wenn ich jetzt einen Abflug machte, dann war’s das. Ich würde für den Rest meines Lebens auf der Flucht sein. Ständig über die Schulter blicken. Mir wegen jedem Fremden Gedanken machen. Wollte ich so ein Leben für Debs? Mein Gott, wollte ich es für mich selbst?
    »Und?«, wiederholte der Taxifahrer.
    Ich würde meine Mutter nicht wiedersehen. Auch Col würde ich nicht wiedersehen. Und durchaus möglich, dass ich Hod nicht mehr gegenübertreten könnte. Ich wusste, die Lösung war ganz einfach. Dury, du egoistischer Bastard, sagte ich zu mir, willst immer nur deine eigene nutzlose Haut retten – du Feigling.
    Ich dachte an Billy. Die Mädchen. Diese armen, unschuldigen lettischen Mädchen, die nicht

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