Geopfert - [Gus Dury ; 1]
Bier und jede Menge Whisky zum Nachspülen. Ein paar gute Bücher wären auch nett und vielleicht noch ein Hund. Müsste aber eine Promenadenmischung sein, ein richtiger Bastard. Promenadenmischungen sind ganz klar die treuesten.
Den ganzen Rest kannst du von mir aus behalten – Vermögen, Freunde, Respekt. Das ging mir durch den Kopf, während ich durch die Stadt schlenderte.
Überall wurde Altes abgerissen, anstelle von Erinnerungen wurden brandneue Glas- und Chrom-Apartments hochgezogen. Ich halte nichts von diesem neuen Lifestyle-Ding. Ich persönlich strebe einen Anti-Lifestyle an. Bei mir stapeln sich keine schicken Trendmagazine, um auf ihren Hochglanzseiten über meine Vorstellung vom Glück zu berichten.
Auf dem Weg zum Calton Hill ging ich durch Abbeyhill im East End. Das ist die Gegend, die man auf allen Ansichtskarten findet. Edinburgh – der angesagteste Ort der Welt, hmh? Die Stadt der Kirchturmspitzen und Pflasterstraßen. Schottenkaro und Dudelsäcke. Eine Kulturhauptstadt, eine Freude für jeden Gourmet … Lassen Sie mich gar nicht erst richtig anfangen: Ich kenne die wahre Geschichte.
Nachdem ich heute die meisten Tage für mich allein habe, gehe ich gern irgendwo hinauf und blicke hinab. Betrachte den Ort einfach. Denke an die Zeit, als ich eine Rolle in dem ganzen Kuddelmuddel spielte, bevor ich vom Karussell fiel.
Möwen krächzten über mir, drohten auf mich zu scheißen. Ich sah auf und brüllte: »Verzieht euch, klar?«
Verfluchtes Ungeziefer. Ratten mit Flügeln, genau das sind sie. Vögel und ich, wir kommen nicht miteinander aus, da können Sie meine zukünftige Exfrau fragen.
»Haut ab, Ungeziefer«, brüllte ich.
Eine alte Frau reckte ihren pudelbemützten Kopf.
»Sorry, Missus«, sagte ich. Ein vernichtender Blick schoss in meine Richtung. »Nochmals, tut mir leid.«
Ich schlich mich zu einer Bank. Erforschte meine mobile Minibar. Sie ist sehr mini – ich habe nur das Wesentliche dabei – einen Viertelliter Alk in einer braunen Papiertüte.
Ich weiß, ich weiß. Ein echter Wermutbruder-Look mit der Tüte. Aber mir gefällt’s. Es hat was Ehrliches. Als ich das erste Mal eine Viertelliterflasche kaufte und der Typ im Booze and News sie in eine braune Tüte steckte, dachte ich: ›Niemals!‹ Viel zu alkimäßig, selbst für mich.
Ich trug sie mit mir herum, ließ sie stundenlang in meiner Tasche rascheln, bevor ich sie anfassen konnte. Als ich es dann aber tat, war es ein Gefühl, als hätte ich mir eine Ehrenplakette angesteckt, auf der stand: »Ich trinke! Find dich damit ab!«
Ein paar schnelle Schlucke beruhigten mich. Der Trick funktioniert immer. Gibt nichts Besseres, um einen klaren Kopf zu bekommen.
Ich verstaute den Stoff und kramte nach einem Blatt Papier mit ein paar Einzelheiten von Col. In was gerate ich jetzt wieder rein, fragte ich mich. Ich hatte schon mehr als genug eigene Probleme, da musste ich mich nicht noch um die anderer Leute kümmern. Aber wie man so schön sagt, ich konnte schlecht Nein sagen.
Die Notizen waren auf feinem Briefpapier geschrieben. In Cols gewissenhafter, gestochen scharfer Handschrift waren einige Leute angeführt, mit denen ich über Billy sprechen sollte. Leute, die ihn vor seinem sehr öffentlichen Ableben gekannt hatten.
Ich überflog die Namen. »Mein Gott, Billy, du warst ein ausgesprochen dämlicher Junge, stimmt’s?«, flüsterte ich.
Die Liste las sich wie eine Aufstellung der üblichen Verdächtigen. Ein paar davon kannte ich noch von früher. Größtenteils kleine Ganoven und Muskeltypen. Knochenbrecher und alte Boxer. Ich war nicht sonderlich scharf darauf, bei einem von denen auf ein Plauderstündchen vorbeizuschauen.
Einige der Namen machten mich nachdenklich. Weckten in mir das Bedürfnis, mit noch ein paar Schlucken Whisky nachzulegen. So macht’s der Säufer: Es brennt, also trinkt er, und es brennt nicht mehr. Das hier jedoch war Cols Show. Das Geld in meiner Tasche war dafür, dass ich den Mörder seines Jungen fand, und nicht, um es zu versaufen.
Ich ging es an.
Begann nochmals durchzugehen, was Col mir erzählt hatte.
Es gab da ein Mädchen, sie hieß Nadja, und bei ihr bekam Col eine Gänsehaut. Der sonst so friedfertige Bursche war bei der Erwähnung ihres Namens ziemlich in Rage geraten. Ich hielt es für wenig erfolgversprechend, mit ihr zu beginnen, aber Col hatte mir ihre Telefonnummer gegeben, und irgendwo musste ich ja anfangen.
Ich langte nach meinem Handy. Es stank nach Kippen:
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