Georg Büchner - Gesammelte Werke: Dantons Tod, Lenz, Leonce und Lena, Woyzeck, Lucretia Borgia, Maria Tudor (Gesammelte Werke bei Null Papier) (German Edition)
Geist genug für ein Epos in fünfzig oder sechzig Gesängen? ’s ist Zeit, daß man das bißchen Essenz nicht mehr aus Zubern, sondern aus Likörgläschen trinkt; so bekommt man doch das Maul voll, sonst konnte man kaum einige Tropfen in dem plumpen Gefäß zusammenrinnen machen.
Endlich – ich müßte schreien; das ist mir der Mühe zuviel, das Leben ist nicht die Arbeit wert, die man sich macht, es zu erhalten.
Paris : So flieh, Danton!
Danton : Nimmt man das Vaterland an den Schuhsohlen mit?
Und endlich – und das ist die Hauptsache: sie werden’s nicht wagen. (Zu Camille): Komm, mein Junge; ich sage dir, sie werden’s nicht wagen. Adieu, adieu! (Danton und Camille ab.)
Philippeau : Da geht er hin.
Lacroix : Und glaubt kein Wort von dem, was er gesagt hat. Nichts als Faulheit! Er will sich lieber guillotinieren lassen als eine Rede halten.
Paris : Was tun?
Lacroix : Heimgehn und als Lukretia auf einen anständigen Fall studieren.
Zweite Szene
Eine Promenade
Spaziergänger.
Ein Bürger : Meine gute Jacqueline – ich wollte sagen Korn… wollt ich: Kor…
Simon : Kornelia, Bürger, Kornelia.
Bürger : Meine gute Kornelia hat mich mit einem Knäblein erfreut.
Simon : Hat der Republik einen Sohn geboren.
Bürger : Der Republik, das lautet zu allgemein; man könnte sagen…
Simon : Das ist’s gerade, das Einzelne muß sich dem Allgemeinen…
Bürger : Ach ja, das sagt meine Frau auch.
Bänkelsänger (singt): Was doch ist, was doch ist
Aller Männer Freud’ und Lüst’?
Bürger : Ach, mit den Namen, da komm ich gar nicht ins reine.
Simon : Tauf ihn Pike, Marat!
Bänkelsänger : Unter Kummer, unter Sorgen
Sich bemühn vom frühen Morgen,
Bis der Tag vorüber ist.
Bürger : Ich hätte gern drei – es ist doch was mit der Zahl Drei – und dann was Nützliches und was Rechtliches; jetzt hab ich’s: Pflug, Robespierre. Und dann das dritte?
Simon : Pike.
Bürger : Ich dank Euch, Nachbar; Pike, Pflug, Robespierre, das sind hübsche Namen, das macht sich schön.
Simon : Ich sage dir, die Brust deiner Kornelia wird wie das Euter der römischen Wölfin – nein, das geht nicht: Romulus war ein Tyrann, das geht nicht. (Gehn vorbei.)
Ein Bettler (singt): »Eine Handvoll Erde und ein wenig Moos…« Liebe Herren, schöne Damen!
Erster Herr : Kerl, arbeite, du siehst ganz wohlgenährt aus!
Zweiter Herr : Da! (Er gibt ihm Geld.) Er hat eine Hand wie Samt. Das ist unverschämt.
Bettler : Mein Herr, wo habt Ihr Euren Rock her?
Zweiter Herr : Arbeit, Arbeit! Du könntest den nämlichen haben; ich will dir Arbeit geben, komm zu mir, ich wohne…
Bettler : Herr, warum habt Ihr gearbeitet?
Zweiter Herr : Narr, um den Rock zu haben.
Bettler : Ihr habt Euch gequält, um einen Genuß zu haben; denn so ein Rock ist ein Genuß, ein Lumpen tut’s auch.
Zweiter Herr : Freilich, sonst geht’s nicht.
Bettler : Daß ich ein Narr wäre! Das hebt einander.
Die Sonne scheint warm an das Eck, und das geht ganz leicht.
(Singt): »Eine Handvoll Erde und ein wenig Moos…«
Rosalie (zu Adelaiden): Mach fort, da kommen Soldaten! Wir haben seit gestern nichts Warmes in den Leib gekriegt.
Bettler : »Ist auf dieser Erde einst mein letztes Los!« Meine Herren, meine Damen!
Soldat : Halt! Wo hinaus, meine Kinder? (Zu Rosalie): Wie alt bist du?
Rosalie : So alt wie mein kleiner Finger.
Soldat : Du bist sehr spitz.
Rosalie : Und du sehr stumpf.
Soldat : So will ich mich an dir wetzen.
(Er singt): Christinlein, lieb Christinlein mein,
Tut dir der Schaden weh, Schaden weh,
Schaden weh, Schaden weh?
Rosalie (singt): Ach nein, ihr Herrn Soldaten,
Ich hätt’ es gerne meh, gerne meh,
Gerne meh, gerne meh!
(Danton und Camille treten auf.)
Danton : Geht das nicht lustig? – Ich wittre was in der Atmosphäre; es ist, als brüte die Sonne Unzucht aus. – Möchte man nicht drunter springen, sich die Hosen vom Leibe reißen und sich über den Hintern begatten wie die Hunde auf der Gasse? (Gehn vorbei.)
Junger Herr : Ach, Madame, der Ton einer Glocke, das Abendlicht an den Bäumen, das Blinken eines Sterns…
Madame : Der Duft einer Blume! Diese natürlichen Freuden, dieser reine Genuß der Natur! (Zu ihrer Tochter): Sieh, Eugenie, nur die Tugend hat Augen dafür.
Eugenie (küßt ihrer Mutter die Hand): Ach, Mama, ich sehe nur Sie.
Madame : Gutes Kind!
Junger Herr (zischelt Eugenien ins Ohr): Sehen Sie dort die hübsche Dame mit dem alten Herrn?
Eugenie : Ich kenne sie.
Junger Herr : Man sagt, ihr Friseur
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