Georg Büchner - Gesammelte Werke: Dantons Tod, Lenz, Leonce und Lena, Woyzeck, Lucretia Borgia, Maria Tudor (Gesammelte Werke bei Null Papier) (German Edition)
hyperbolischen Ausdruck braucht la capitale du monde, denn es ist hier auch so außerordentlich vieles vereinigt. Für Naturgeschichte, physiolog. und Anatomie simple et comparée wäre eine Aufenthalt hier sehr interessant für Dich. Die Gemälde Gallerie würde Dich auch größtenteils interessieren; übrigens weißt Du wie wenig ich davon verstehe – Unterdessen bin ich jedoch ein außerordentlicher Liebhaber d. italienischen Oper, Laplache, Tamburini und Grisi sind unübertrefflich und müssen durch ihren Gesang selbst einen Laien Unkundigen ergreifen. Du würdest hier gewiß öfters in die Oper gehn puritani, Il matrimonio secreto, Othello etc – Die französische Oper ist ziemlich gut. – Im theatre français tritt die Mars zuweilen auf. Die große Masse der übrigen Theater ist mittelmäßig od. schlecht und gemein, zuweilen unerträglich. Die berühmte Ferrand, jetzt Maître Roy sah ich in d. operacomique. Du wirst die tragische Geschichte dieser edlen Dame kennen; ich denke que les poils auront repoussé. Seit meinem Aufenthalt in Wien bin ich wider meine frühern Gewohnheiten ein ziemlich fleißiger Theater-Besucher worden. Aber freilich ein Theater wie das Burgtheater in Wien hab ich nicht wieder gefunden. Nirgends ist es angenehmer sich ohne Zweck in den Straßen herumtreiben flaner als hier, von der Pracht und dem Reichtum der superben Buden, Bazar’s hauptsächlich derjenigen im palaisroyal hat man in andern Städten kaum eine Idee – An Spaziergängen hier fehlt es auch nicht hauptsächlich die boulevards, d. jardin des tuileries Luxembourg, jardin du roi, und dann noch einige breite schöne Straßen w.z.B. rue d. Rivoli, Castiglione, place Vendôme etc.
Viele excursionen habe ich noch nicht gemacht, teils weil ich viel zu tun habe, teils wegen des schlechten Wetters, ich verspare die weiten Ausflüge auf das Frühjahr. In Paris selbsten kann man für 6 sols überall in dem omnibus, hirondelles, Orléanaises etc. herumfahren, ein wohlfeiles und zuweilen angenehmes Vergnügen. Den Arc d. triomphe, d. Obelisken, d. colonne Vendôme, den Platz d. bastille und mehrere andere Merkwürdigkeiten habe ich öfters besucht. In den salon’s des palais-royal haben mich die historischen Gemälde aus der revolution am meisten interessiert. Lese-Cabinet’s sind hier unzählige, in einigen hat man auch die allgemeine Zeitung. In d. Café’s wd. nicht geraucht. Dies ist etwas für Dich. Dagegen gibt es viele estaminets in welchen geraucht wd.
Lambossy ist schon lang von hier weg. Es hat ihm hier nicht gefallen, wahrschlch. weil er sich in der ungeheuren Masse verlor. Held und Schwebel sind noch hier, letzterer wd. in einigen Wochen von hier absegeln um sich in Barr als Arzt zu etablieren. Sonstige Bekannte habe ich hier viele getroffen. Der dickbauchige pädagog liegt im Gloster in Strasburg, sauft café, streicht sich den Bauch und schneidet Gesichter, ich habe zweimal an ihn geschrieben; natürlich ohne jemalen eine Zeile von ihm zu erhalten. Von einem Theologen muß man nicht zu viel begehren. Müntz welcher einige Zeit hier war ist leider abgereiset. Er hat eine Stelle als professeur du collège Schlettstadt. Selestat. Ich denke mich nächsten Sommer irgend wo zu etablieren, ich weiß nicht ob ich in Strasburg bleibe oder ob ich in den Oberrhein gehe, geschieht letzteres so sind wir ganz nahe bei einander.
Sehr teuer ist d. Aufenthalt in Paris nicht wenn man keine besondern Auslagen für Bücher od. Kollegien od. sonstige Dinge hat so kann man mit 200 fr. monatlich leben. Die Zimmer sind etwas teuer. Das Mittagessen nicht so sehr wie man glaubt für 20 sols ißt man erträglich für 30 ziemlich gut.
Die Kleider sind hier sehr teuer, für ein. schwarzen Frack zahlte ich 100 fr. und es gibt auch zu 150–200 fr – Im ganzen habe ich im Laufe des vorigen Jahres 4000 fr. gebraucht. Dies ist auch ein Beweggrund weswegen ich dieses Jahr dem Reisen ein Ende machen will, denn mein kleines Capital geht zu Grunde, und einige Tausend Franken will ich für mein Établissement reservieren. Lange wd. sich nächstens verheuraten. Stöber hat seine fiancée, definitif aufgegeben wie man mir sagte; das arme Mädchen dauert mich. Sie wd. schwer eine andere Partie machen können. Ich bin Dieu merci noch frei, teils weil ich es aus Grundsatz bleiben will, teils weil ich nicht weiß ob mich andere Leute wollen
Dein Eugène.
Adresse Eug. Boeckel, quai st. Michel N° 13. hôtel d. l’étoile du nord.
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An Wilhelmine
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