Georg Büchner - Gesammelte Werke: Dantons Tod, Lenz, Leonce und Lena, Woyzeck, Lucretia Borgia, Maria Tudor (Gesammelte Werke bei Null Papier) (German Edition)
regelmäßiges Einkommen zu sichern, so habe ich doch meiner Studien halber die Verpflichtung zu regelmäßigen Beiträgen abgelehnt. Vielleicht, daß Ende des Jahres noch etwas von mir erscheint. – Klemm also frei? Er ist mehr ein Unglücklicher, als ein Verbrecher, ich bemitleide ihn eher, als ich ihn verachte; man muß doch gar pfiffig die tolle Leidenschaft des armen Teufels benützt haben. Er hatte sonst Ehrgefühl, ich glaube nicht, daß er seine Schande wird ertragen können. Seine Familie verleugnet ihn, seinen älteren Bruder ausgenommen, der eine Hauptrolle in der Sache gespielt zu haben scheint. Es sind viel Leute dadurch unglücklich geworden. Mit Minnigerode soll es besser gehen. Hat denn Gladbach noch kein Urteil? Das heiße ich einen doch lebendig begraben. Mich schaudert, wenn ich denke, was vielleicht mein Schicksal gewesen wäre! (…)
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Von Karl Gutzkow
28. September 1835
Aus Frankfurt am Main nach Straßburg
Mein lieber Freund,
Sie erbauen weder mich, noch meinen Plan durch Ihren jüngsten, doch so willkommnen Brief. Ich hatte sicher auf Sie gerechnet, ich spekulierte auf lauter Jungfernerzeugnisse, Gedankenblitze aus erster Hand, Lenziana, subjektiv und objektiv: Sie können auch Ihre abschlägige Antwort nicht so rund gemeint haben und werden schon darauf eingehen, folgenden Calcül mit sich anzustellen: Du hast ein Buch mit deinem Namen geschrieben. Ein Enthusiast hat es unbedingt gelobt. Ja, du hast dich sogar herabgelassen, 2 wahrscheinlich sehr elende Dramen von V. Hugo zu übersetzen; du stehst nun mitten drinnen, und mußt dich entweder behaupten, oder avanzieren. Die Deutsche Revue wird großartig verbreitet, sie zahlt für den 8°-Bogen 2 Friedr. d’ors. Sie hat einige glänzende Aushängeschilde von Namen, welche sogar das alte und besorgliche Publikum anlocken. In der Tat, lieber Büchner, häuten Sie sich zum 2ten Male: geben Sie uns, wenn weiter nichts im Anfang, Erinnerungen an Lenz : da scheinen Sie Tatsachen zu haben, die leicht aufgezeichnet sind. Ihr Name ist einmal heraus, jetzt fangen Sie an, geniale Beweise für denselben zu führen.
Das Brockhaus’sche Repertorium kanzelt Sie mit 2 Worten ab. Die Abend-Zeitung, wie ich aus einem Briefe von Th. Hell an einen Dritten, sehe, wird desgleichen tun. Basenhaft genug schreibt dieser Hofrat Hell genannt Winckler: Wer ist dieser Büchner? Antworten Sie ihm darauf!
W. Schulz hat an mich geschrieben. Er scheint recht gedrückt zu sein; was ich für ihn ausrichten kann, will ich sehen. Er solle sich noch einige Tage gedulden.
Von Menzels elendem Angriffe auf meine Person werden Sie gehört haben. Ich mußte ihn für seine Schamlosigkeit fordern; er schlug diesen Weg aus und zwingt mich nun ihm öffentlich zu dienen. Menzeln war’ es eine Freude gewesen, wenn ich bei ihm noch immer die zweite Violine gespielt hätte, und einmal executor seines Testaments geworden wäre. Prinzipien hat er für keine größere Fehde mehr, seine letzten Patronen hat er gegen Göthe verschossen: Nun muß die Religion, die Moral und mein Leben herhalten, um mich zu stürzen. In einigen Tagen erscheinen von mir und Wienbarg Broschüren. Ich kann nichts besseres tun, als aus seiner Infamie eine literarische Streitfrage machen. Zeit ist’s, endlich einmal die Menzelsche Stellung zu revidieren und die kritischen Annalen zu kontrollieren, welche er seit beinahe 10 Jahren geschrieben hat.
Am 1. Dez. erscheint das 1ste Heft der Revue. Benimmt sich Menzel nicht, als woll’ er sagen: »o Herr Zebaoth, siehe, sie wollen herausgeben ein Blatt, das da heißet: Deutsche Revue und soll erscheinen wöchentlich einmal! spricht der Herr: Sela.«
Ihr Gutzkow.
Adressieren Sie nicht an Sauerl. sondern kurzweg an meinem Namen.
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An die Familie
Oktober 1835
Aus Straßburg nach Darmstadt
(…) Ich habe mir hier allerhand interessante Notizen über einen Freund Goethe’s, einen unglücklichen Poeten Namens Lenz verschafft, der sich gleichzeitig mit Goethe hier aufhielt und halb verrückt wurde. Ich denke darüber einen Aufsatz in der deutschen Revue erscheinen zu lassen. Auch sehe ich mich eben nach Stoff zu einer Abhandlung über einen philosophischen oder naturhistorischen Gegenstand um. Jetzt noch eine Zeit lang anhaltendes Studium, und der Weg ist gebrochen. Es gibt hier Leute, die mir eine glänzende Zukunft prophezeien. Ich habe nichts dawider. (…)
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An die Familie
2. November 1835
Aus Straßburg nach Darmstadt
(…) Ich weiß bestimmt, daß
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