Feuer des Schicksals: Fantasy Roman (German Edition)
1.
Savannah dachte, dass heute ein ganz normaler Tag sei. Doch wie sehr sie sich irrte, zeigte sich bereits am späten Vormittag.
Es war Montagmorgen, der Wecker klingelte und riss sie aus einem Traum, in dem sie am Strand von Hawaii mit nackten Füßen entlang lief. Fast konnte sie den heißen weißen Sand noch auf den Fußsohlen spüren. Als sie die Decke zur Seite zog und sich langsam und noch ein wenig schlaftrunken aufsetzte, fiel ihr Blick auf das Buch, das auf ihrem Schreibtisch direkt neben dem Bett lag.
„Mist.“ Ärgerlich schloss sie die Augen und strich sich die unordentlichen Haarsträhnen ihres rotblonden Haares hinter die Ohren. Vielleicht sollte sie ihre Mähne wirklich abschneiden. Doch so flüchtig dieser Gedanke gekommen war, so schnell verschwand er auch wieder. Heute stand in der 4. Stunde eine Matheklausur an. Auch wenn die Schulfächer nicht schwer für sie waren, sie langweilte sich im Unterricht und träumte immerzu vor sich hin. Sie waren vor etwa einem halben Jahr nach Chicago gezogen, um ein neues Leben anzufangen. So nannte ihre Mutter ihre ständigen Umzüge, ein neues Leben begann auch immer mit einer neuen Stadt oder einem neuen Land. Dadurch hatte sie im Laufe ihres Lebens mehrere Klassen wiederholen müssen. In einigen Tagen würde sie ihren 20. Geburtstag feiern. Die Schule würde sie bald beenden und endlich könnte sie ein wenig Geld verdienen, um ihre Mutter zu unterstützen.
Als sie aufstand, knarrte eine der Dielen unter ihren nackten Füßen. Das Haus, in das sie gezogen waren, wurde dem Aussehen nach nur an Leute vermietet, die gut mit ihrem Geld haushalten mussten. Nach mehrmaligem Drehen am Wasserhahn kam erst ein dunkler, sandiger Strahl aus dem Wasserhahn, der bestimmt schon über ein Jahrhundert alt war. Savannah hatte gelernt, geduldig auf das saubere Wasser zu warten, auch wenn es nie wirklich heiß aus der Leitung kam. Schnell erledigte sie ihre Morgentoilette und lief dann die Treppe hinunter in die Küche. Ihre Mutter würde erst in ein bis zwei Stunden aufstehen, um dann wieder die Zeitung nach eventuellen Stellenangeboten zu durchforsten.
Sophie O’Sullivan hatte mal wieder ihren Job verloren, da sie zu oft zu spät gekommen war und den Getränkeladen gleich um die Ecke nicht rechtzeitig geöffnet hatte. Savannah stellte ein Glas Milch, das Brot, die heiß geliebte Erdnussbutter ihrer Mutter und die aktuelle Zeitung auf ihren Platz am Tisch. Noch während sie die Tür hinter sich zuzog, steckte sie sich ihre Kopfhörer ins Ohr und ließ sich von der Musik ablenken, um nicht an die Prüfung denken zu müssen. Es war jetzt Anfang Mai und die Temperaturen waren für diese Jahreszeit immer noch zu niedrig. Dazu kamen die ständigen Regengüsse und der eiskalte Wind, der einem die Tränen in die Augen trieb. Kein Wunder, dass sie von Hawaii träumte.
Gerade, als Savannah das Schulgebäude betrat, öffnete der Himmel seine Schleusen vollends. Das ungute Gefühl, das sie beim Anblick der schwarzen Wolken am Himmel befiel, hielt die ganzen nächsten Stunden an. Irgendetwas würde bald passieren. Kurz dachte sie an ihren Großvater. Er war ein waschechter Potawatomi-Indianer gewesen und hätte das Wetter und ihr ungutes Gefühl bestimmt als ein schlechtes Omen angesehen. Ihre Großmutter, eine Irin, war als junge Frau nach Amerika ausgewandert. Doch als ihr Mann vor einigen Jahren verstarb, zog es sie zurück in ihre Heimat. Da sich Sophie im Laufe der Jahre immer mehr von ihrer Mutter distanziert hatte, war auch der Kontakt nach deren Umzug nach Irland völlig zum Erliegen gekommen. Die Frauen in dieser Familie waren einfach nur starrköpfig.
In den ersten Stunden schaute Savannah immer wieder gedankenverloren aus dem Fenster. Der Regen hielt den ganzen Vormittag an und verwandelte die Wege in eine Landschaft aus Matsch und tiefen Wasserlöchern. Als sie nach vorn zu ihrer Lehrerin sah, bemerkte sie einen Schatten, der sich an der Gestalt der älteren Frau nach oben schlängelte. Dunkel, leicht durchsichtig schmiegte sich der Schatten an den Körper der Frau. Ihren Namen hatte sie bereits wieder vergessen, da sie bereits die fünfte Lehrerin im Fach Geschichte war, die Savannah allein im letzten halben Jahr gehabt hatte. Wie immer in so einer Situation schaute sie sich vorsichtig um, ob einer der anderen das Gleiche sah wie sie. Und wie immer war sie anscheinend die Einzige. Schon als Kind hatte sie seltsame Schatten gesehen. In der Regel war der Mensch, bei
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