Georg Büchner - Gesammelte Werke: Dantons Tod, Lenz, Leonce und Lena, Woyzeck, Lucretia Borgia, Maria Tudor (Gesammelte Werke bei Null Papier) (German Edition)
kannst jetzt mit den Würmern Unzucht treiben.
Eine andere : Hérault, aus deinen hübschen Haaren laß ich mir eine Perücke machen.
Hérault : Ich habe nicht Waldung genug für einen so abgeholzten Venusberg.
Camille : Verfluchte Hexen! Ihr werdet noch schreien: »Ihr Berge, fallet auf uns!«
Ein Weib : Der Berg ist auf euch, oder ihr seid ihn vielmehr hinuntergefallen.
Danton (zu Camille): Ruhig, mein Junge! Du hast dich heiser geschrien.
Camille (gibt dem Fuhrmann Geld): Da, alter Charon, dein Karren ist ein guter Präsentierteller! Meine Herren, ich will mich zuerst servieren. Das ist ein klassisches Gastmahl; wir liegen auf unsern Plätzen und verschütten etwas Blut als Libation. Adieu, Danton! (Er besteigt das Blutgerüst, die Gefangnen folgen ihm, einer nach dem andern. Danton steigt zuletzt hinauf.)
Lacroix (zu dem Volk): Ihr tötet uns an dem Tage, wo ihr den Verstand verloren habt; ihr werdet sie an dem töten, wo ihr ihn wiederbekommt.
Einige Stimmen : Das war schon einmal da; wie langweilig!
Lacroix : Die Tyrannen werden über unsern Gräbern den Hals brechen.
Hérault (zu Danton): Er hält seine Leiche für ein Mistbeet der Freiheit.
Philippeau (auf dem Schafott): Ich vergebe euch; ich wünsche, eure Todesstunde sei nicht bittrer als die meinige.
Hérault : Dacht’ ich’s doch! er muß sich noch einmal in den Busen greifen und den Leuten da unten zeigen, daß er reine Wäsche hat.
Fabre : Lebe wohl, Danton! Ich sterbe doppelt.
Danton : Adieu, mein Freund! Die Guillotine ist der beste Arzt.
Hérault (will Danton umarmen): Ach, Danton, ich bringe nicht einmal einen Spaß mehr heraus. Da ist’s Zeit. (Ein Henker stößt ihn zurück.)
Danton (zum Henker): Willst du grausamer sein als der Tod? Kannst du verhindern, daß unsere Köpfe sich auf dem Boden des Korbes küssen?
Achte Szene
Eine Straße
Lucile : Es ist doch was wie Ernst darin. Ich will einmal nachdenken. Ich fange an, so was zu begreifen.
Sterben – Sterben –! – Es darf ja alles leben, alles, die kleine Mücke da, der Vogel. Warum denn er nicht? Der Strom des Lebens müßte stocken, wenn nur der eine Tropfen verschüttet würde. Die Erde müßte eine Wunde bekommen von dem Streich.
Es regt sich alles, die Uhren gehen, die Glocken schlagen, die Leute laufen, das Wasser rinnt, und so alles weiter bis da, dahin – nein, es darf nicht geschehen, nein, ich will mich auf den Boden setzen und schreien, daß erschrocken alles stehn bleibt, alles stockt, sich nichts mehr regt. (Sie setzt sich nieder, verhüllt sich die Augen und stößt einen Schrei aus. Nach einer Pause erhebt sie sich): Das hilft nichts, da ist noch alles wie sonst; die Häuser, die Gasse, der Wind geht, die Wolken ziehen. Wir müssen’s wohl leiden.
(Einige Weiber kommen die Gasse herunter.)
Erstes Weib : Ein hübscher Mann, der Hérault!
Zweites Weib : Wie er beim Konstitutionsfest so am Triumphbogen stand, da dacht’ ich so, der muß sich gut auf der Guillotine ausnehmen, dacht’ ich. Das war so ’ne Ahnung.
Drittes Weib : Ja, man muß die Leute in allen Verhältnissen sehen; es ist recht gut, daß das Sterben so öffentlich wird. (Sie geben vorbei.)
Lucile : Mein Camille! Wo soll ich dich jetzt suchen?
Neunte Szene
Der Revolutionsplatz
Zwei Henker, an der Guillotine beschäftigt.
Erster Henker (steht auf der Guillotine und singt):
Und wann ich hame geh,
Scheint der Mond so scheh…
Zweiter Henker : He, holla! Bist bald fertig?
Erster Henker : Gleich, gleich! (Singt):
Scheint in meines Ellervaters Fenster
Kerl, wo bleibst so lang bei de Menscher?
So! Die Jacke her! (Sie gehn singend ab):
Und wann ich hame geh,
Scheint der Mond so scheh…
Lucile (tritt auf und setzt sich auf die Stufen der Guillotine): Ich setze mich auf deinen Schoß, du stiller Todesengel. (Sie singt):
Es ist ein Schnitter, der heißt Tod,
Hat Gewalt vom höchsten Gott.
Du liebe Wiege, die du meinen Camille in Schlaf gelullt, ihn unter deinen Rosen erstickt hast. Du Totenglocke, die du ihn mit deiner süßen Zunge zu Grabe sangst. (Sie singt):
Viel Hunderttausend ungezählt,
Was nur unter die Sichel fällt.
(Eine Patrouille tritt auf.)
Ein Bürger : He, wer da?
Lucile (sinnend und wie einen Entschluß fassend, plötzlich): Es lebe der König!
Bürger : Im Namen der Republik! (Sie wird von der Wache umringt und weggeführt.)
Der Hessische Landbote
Erste Botschaft
Darmstadt, im Juli 1834.
Vorbericht
Dieses Blatt soll dem hessischen Lande die Wahrheit
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