Die Mission
Prolog
Demi-Monde:
37. Tag im Winter des Jahres 1004
Norma rannte. Hob den Rock und rannte wie noch nie. Rannte, als wäre der Teufel hinter ihr her.
Scheiße … die Höllenhunde sind mir dicht auf den Fersen.
Hinter sich hörte sie, wie die Detonationen und die Querschläger die nächtliche Stille in den Straßen von London zerrissen. Mata Hari und ihre Suff-Ra-Getten hatten offensichtlich Wort gehalten und versuchten, die SS so lange wie nur möglich aufzuhalten. Und Suff-Ra-Getten waren zäh.
Lauf, Norma, lauf!, hatte Mata Hari geschrien, als Clements SS -Schergen in die Kneipe hereinstürmten. Und sie war losgerannt. Sie durfte der SS auf keinen Fall in die Hände fallen.
Diesen wahnsinnigen, gewissenlosen Ungeheuern.
Nur wusste sie nicht, wohin sie rannte.
Sie war blind.
Der Schnee fiel derart dick und dicht, dass sie kaum die Hand vor Augen sehen konnte. Und der eisige Wind peitschte ihr die Flocken in die Augen, bis sie brannten und tränten.
Norma schüttelte wütend den Kopf und zwang sich, Schmerz und Kälte zu ignorieren. Sie nahm weder die eisige Taubheit in Fingern und Zehen wahr noch ihren protestierenden Körper, der gegen ihren Willen rebellierte. Sie zwang sich, alles zu ignorieren, und konzentrierte sich nur darauf, die Bestien abzuschütteln, die sie verfolgten.
Sie musste alles ausblenden, nur nicht die Notwendigkeit zu rennen. Vor allem aber musste sie diesen hinterhältigen, schleimigen Hundesohn Burlesque Bandstand aus dem Kopf kriegen.
Dreckskerl.
Sie rannte, bis ihr das Herz im Hals schlug, bis ihre Beine vor Schmerzen schrien und sie das Gefühl hatte, ihre Lungen würden Feuer fangen. Sie rannte, so schnell sie konnte, und versuchte, so gut es ging in der Fahrrinne zu bleiben, die die Gummireifen eines Dampfwagens auf der Straße hinterlassen hatten, um selbst keine Spuren im frisch gefallenen Schnee zu hinterlassen. Eine Fährte, denen ihre Häscher anschließend folgen konnten.
Nur wenige Straßen hinter ihr hallte das Signal eines Jagdhorns durch die schmalen Gassen. Offensichtlich war es den SS -Männern gelungen, die Suff-Ra-Getten in die Flucht zu schlagen. Jetzt konnten sie sich ganz auf die Dämonenjagd konzentrieren.
Lauf, Norma, lauf!
Jetzt hatte sie keine Zweifel mehr, sie konnte sie hören. Sie hörte, wie das metallische Knallen ihrer eisenbeschlagenen Stiefel durch die gepflasterten Straßen und die schmalen Gassen der Rookeries hallte. Sie hörte das laute Geschrei dieses Widerlings, Archie Clement – fast noch ein Junge –, und das wilde Bellen der Bluthunde, die er mit der Peitsche zur Jagd antrieb.
Plötzlich glitten die Ledersohlen ihrer Stiefel auf den glatten vereisten Pflastersteinen aus, sie rutschte auf Händen und Knien über die Straße und landete in der übelriechenden Gosse. Die scharfe Bordsteinkante riss ihr die Haut auf, und ein unerträglicher Schmerz durchfuhr sie. Doch das Adrenalin, das durch ihre Adern schoss, und das Wissen um das Schicksal, das sie erwartete, wenn die Kerle sie zu fassen bekamen, spornten sie unermüdlich an. Hastig sprang sie wieder auf und humpelte schluchzend vor Schmerz, Verzweiflung und Angst weiter.
Nimm dich zusammen, Norma.
Jetzt war nicht die Zeit, um Schwäche zu zeigen. Nicht jetzt, da sie verletzt war. Denn aus ihren Wunden tropfte Blut. Ein gefundenes Fressen für die Bluthunde. Sie würden verrückt werden … nach ihrem Blut. Und jetzt hätten sie keine Mühe mehr, ihrer Spur zu folgen.
Wie auf ein Stichwort hörte sie im gleichen Augenblick das traurige Heulen eines Bluthunds, der soeben die Witterung ihrer blutigen Spur aufgenommen haben musste.
Renn, gib nicht auf.
Vielleicht würden die Schneeflocken ihre Spuren verwischen … ihre Blutspur überdecken.
Bitte, bitte, fallt dichter .
An der Straßenecke verlangsamte sie ihre Schritte und versuchte, sich zu orientieren und Atem zu holen. Keuchend sah sie sich nach den Straßenschildern um. So nah: Sie war nur drei Häuserblocks von der Themse … von der Freiheit entfernt. Bloß noch ein paar hundert Meter durch die kleinen Gassen hinter der Regent Street, dann hätte sie die Rookeries hinter sich. Nur noch drei Häuserblocks und sie würde den Eichelturm sehen.
Sie atmete nun in kurzen Stößen, ihre Muskeln schlafften allmählich ab, und sie zitterte am ganzen Körper vor Kälte und Erschöpfung. Mit jedem neuen Windstoß spürte sie, wie die Graupel ihr ins Gesicht schnitten. Und durch das dünne Baumwollhemd fühlte sie die eisige Kälte
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