Georg Büchner - Gesammelte Werke: Dantons Tod, Lenz, Leonce und Lena, Woyzeck, Lucretia Borgia, Maria Tudor (Gesammelte Werke bei Null Papier) (German Edition)
erhalten, aber er trägt Niemand etwas ein, als dem Totengräber.
Präsident : (verlegen mit den Fingern schnipsend) Geruhen Eure Hoheit…
Leonce : Aber schnipsen Sie nicht so mit den Fingern, wenn Sie mich nicht zum Mörder machen wollen.
Präsident : (immer stärker schnipsend) Wollten gnädigst, in Betracht…
Leonce : Mein Gott, stecken Sie doch die Hände in die Hosen, oder setzen Sie sich darauf. Er ist ganz aus der Fassung. Sammeln Sie sich.
Valerio : Man darf Kinder nicht während des Pissens unterbrechen, sie bekommen sonst eine Verhaltung.
Leonce : Mann, fassen Sie sich. Bedenken Sie Ihre Familie und den Staat. Sie riskieren einen Schlagfluß, wenn Ihnen Ihre Rede zurücktritt.
Präsident : (zieht ein Papier aus der Tasche) Erlauben Eure Hoheit…
Leonce : Was, Sie können schon lesen? Nun denn…
Präsident : Daß man der zu erwartenden Ankunft von Eurer Hoheit verlobter Braut, der durchlauchtigsten Prinzessin Lena von Pipi, auf morgen sich zu gewärtigen habe, davon läßt Ihro königliche Majestät Eure Hoheit benachrichtigen.
Leonce : Wenn meine Braut mich erwartet, so werde ich ihr den Willen tun und sie auf mich warten lassen. Ich habe sie gestern Nacht im Traum gesehen, sie hatte ein Paar Augen so groß, daß die Tanzschuhe meiner Rosetta zu Augenbraunen darüber gepaßt hätten, und auf den Wangen war kein Grübchen zu sehen, sondern ein Paar Abzugsgruben für das Lachen. Ich glaube an Träume. Träumen Sie auch zuweilen Herr Präsident? Haben Sie auch Ahnungen?
Valerio : Versteht sich. Immer die Nacht vor dem Tag, an dem ein Braten an der königlichen Tafel verbrennt, ein Kapaun krepiert, oder Ihre königliche Majestät Leibweh bekommt.
Leonce : A propos, hatten Sie nicht noch etwas auf der Zunge? Geben Sie nur Alles von sich.
Präsident : An dem Tage der Vermählung ist ein höchster Wille gesonnen, seine allerhöchsten Willensäußerungen in die Hände Eurer Hoheit niederzulegen.
Leonce : Sagen Sie einem höchsten Willen, daß ich Alles tun werde, das ausgenommen, was ich werde bleiben lassen, was aber jedenfalls nicht so viel sein wird, als wenn es noch einmal so viel wäre. – Meine Herren, Sie entschuldigen, daß ich Sie nicht begleite, ich habe gerade die Passion zu sitzen, aber meine Gnade ist so groß, daß ich sie ja mit den Beinen doch nicht ausmessen kann. (Er spreizt die Beine auseinander.) Herr Präsident, nehmen Sie doch das Maaß, damit Sie mich später daran erinnern. Valerio gib den Herren das Geleite.
Valerio : Das Geläute? Soll ich dem Herrn Präsidenten eine Schelle anhängen? Soll ich sie führen, als ob sie auf allen Vieren gingen?
Leonce : Mensch, du bist nichts als ein schlechtes Wortspiel. Du hast weder Vater noch Mutter, sondern die fünf Vokale haben dich miteinander erzeugt.
Valerio : Und Sie Prinz, sind ein Buch ohne Buchstaben, mit nichts als Gedankenstrichen. Kommen Sie jetzt meine Herren! Es ist eine traurige Sache um das Wort kommen, will man ein Einkommen, so muß man stehlen, an ein Aufkommen ist nicht zu denken, als wenn man sich hängen läßt, ein Unterkommen findet man erst, wenn man begraben wird, und ein Auskommen hat man jeden Augenblick mit seinem Witz, wenn man nichts mehr zu sagen weiß, wie ich zum Beispiel eben, und Sie, ehe Sie noch etwas gesagt haben. Ihr Abkommen haben Sie gefunden und Ihr Fortkommen werden Sie jetzt zu suchen ersucht. (Staatsrat und Valerio ab.)
Leonce : (allein) Wie gemein ich mich zum Ritter an den armen Teufeln gemacht habe! Es steckt nun aber doch einmal ein gewisser Genuß in einer gewissen Gemeinheit. Hm! Heiraten! Das heißt einen Ziehbrunnen leer trinken. O Shandy, alter Shandy, wer mir deine Uhr schenkte! ( Valerio kommt zurück.) Ach Valerio, hast du es gehört?
Valerio : Nun Sie sollen König werden, das ist eine lustige Sache. Man kann den ganzen Tag spazieren fahren und den Leuten die Hüte verderben durch’s viele Abziehen, man kann aus ordentlichen Menschen ordentliche Soldaten ausschneiden, so daß Alles ganz natürlich wird, man kann schwarze Fräcke und weiße Halsbinden zu Staatsdienern machen, und wenn man stirbt, so laufen alle blanken Knöpfe blau an und die Glockenstricke reißen wie Zwirnsfäden vom vielen Läuten. Ist das nicht unterhaltend?
Leonce : Valerio! Valerio! Wir müssen was Anderes treiben. Rathe!
Valerio : Ach die Wissenschaft, die Wissenschaft! Wir wollen Gelehrte werden! a priori? oder a posteriori?
Leonce : A priori, das muß man bei meinem Herrn Vater lernen; und a
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