Georg Büchner - Gesammelte Werke: Dantons Tod, Lenz, Leonce und Lena, Woyzeck, Lucretia Borgia, Maria Tudor (Gesammelte Werke bei Null Papier) (German Edition)
Keine, die nicht das horizontale Verhalten dem senkrechten vorzöge. Sie sehen in ihren weißen Kleidchen aus wie erschöpfte Seidenhasen und der Hofpoet grunzt um sie herum wie ein bekümmertes Meerschweinchen. Die Herren Offiziere kommen um all ihre Haltung. (zu einem Diener.) Sage doch dem Herrn Kandidaten, er möge seine Buben einmal das Wasser abschlagen lassen. – Der arme Herr Hofprediger! Sein Frack läßt den Schweif ganz melancholisch hängen. Ich glaube er hat Ideale und verwandelt alle Kammerherrn in Kammerstühle. Er ist müde vom Stehen.
Erster Bedienter : Alles Fleisch verdirbt vom Stehen. Auch der Hofprediger ist ganz abgestanden, seit er heut Morgen aufgestanden.
Ceremonienmeister : Die Hofdamen stehen da, wie Gradirbäue, das Salz crystallisiert an ihren Halsketten.
Zweiter Bedienter : Sie machens sich wenigstens bequem. Man kann ihnen nicht nachsagen, daß sie auf den Schultern trügen. Wenn sie auch nicht offenherzig sind, so sind sie doch offen bis zum Herzen.
Ceremonienmeister : Ja, sie sind gute Karten vom türkischen Reich, man sieht die Dardanellen und das Marmormeer. Fort, ihr Schlingel! An die Fenster! Da kömmt Ihro Majestät.
(König Peter und der Staatsrat treten ein.)
Peter : Also auch die Prinzessin ist verschwunden? Hat man noch keine Spur von unserm geliebten Erbprinzen? Sind meine Befehle befolgt? Werden die Grenzen beobachtet?
Ceremonienmeister : Ja, Majestät. Die Aussicht von dießem Saal gestattet uns die strengste Aufsicht. (Zu dem ersten Bedienten.) Was hast du gesehen?
Erster Bedienter : Ein Hund, der seinen Herrn sucht, ist durch das Reich gelaufen.
Ceremonienmeister : (zu einem andern) Und du?
Zweiter Bedienter : Es geht jemand auf der Nordgrenze spazieren, aber es ist nicht der Prinz, ich könnte ihn erkennen.
Ceremonienmeister : Und du?
Dritter Bedienter : Sie verzeihen, Nichts.
Ceremonienmeister : Das ist sehr wenig. Und du?
Vierter Diener : Auch Nichts.
Ceremonienmeister : Das ist noch weniger.
Peter : Aber, Staatsrat, habe ich nicht den Beschluß gefaßt, daß meine königliche Majestät sich an diesem Tag freuen und daß an ihm die Hochzeit gefeiert werden sollte? War das nicht unser festester Entschluß?
Präsident : Ja, Eure Majestät, so ist es protokolliert und aufgezeichnet.
Peter : Und würde ich mich nicht kompromittieren, wenn ich meinen Beschluß nicht ausführte?
Präsident : Wenn es anders für Eure Majestät möglich wäre sich zu kompromittieren, so wäre dieß ein Fall, worin sie sich kompromittieren könnte.
Peter : Habe ich nicht mein königliches Wort gegeben? Ja, ich werde meinen Beschluß sogleich ins Werk setzen, ich werde mich freuen. (Er reibt sich die Hände.) O ich bin außerordentlich froh!
Präsident : Wir teilen sämmtlich die Gefühle Eurer Majestät, so weit es für Unterthanen möglich und schicklich ist.
Peter : O ich weiß mir vor Freude nicht zu helfen. Ich werde meinen Kammerherrn rote Röcke machen lassen, ich werde einige Cadetten zu Lieutenants machen, ich werde meinen Unterthanen erlauben – aber, aber die Hochzeit? Lautet die andere Hälfte des Beschlusses nicht, daß die Hochzeit gefeiert werden sollte?
Präsident : Ja, Eure Majestät.
Peter : Ja, wenn aber der Prinz nicht kommt und die Prinzessin auch nicht?
Präsident : Ja, wenn der Prinz nicht kommt und die Prinzessin auch nicht, – dann – dann
Peter : Dann, dann?
Präsident : Dann können sie sich allerdings nicht heiraten.
Peter : Halt, ist der Schluß logisch? Wenn – dann. – Richtig! Aber mein Wort, mein königliches Wort!
Präsident : Tröste Eure Majestät sich mit andern Majestäten. Ein königliches Wort ist ein Ding, – ein Ding, – ein Ding, das nichts ist.
Peter : (zu den Dienern) Seht ihr noch nichts?
Die Diener : Eure Majestät, nichts, gar nichts.
Peter : Und ich hatte beschlossen mich so zu freuen, grade mit dem Glockenschlag zwölf wollte ich anfangen und wollte mich freuen volle zwölf Stunden – ich werde ganz melancholisch.
Präsident : Alle Unterthanen werden aufgefordert die Gefühle Ihrer Majestät zu teilen.
Ceremonienmeister : Denjenigen, welche kein Schnupftuch bei sich haben, ist das Weinen jedoch Anstands halber untersagt.
Erster Bedienter : Halt! Ich sehe was! Es ist etwas wie ein Vorsprung, wie eine Nase, das Übrige ist noch nicht über der Grenze; und dann seh’ ich noch einen Mann und dann noch zwei Personen entgegengesetzten Geschlechts.
Ceremonienmeister : In welcher Richtung?
Erster Bedienter
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