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Georg Büchner - Gesammelte Werke: Dantons Tod, Lenz, Leonce und Lena, Woyzeck, Lucretia Borgia, Maria Tudor (Gesammelte Werke bei Null Papier) (German Edition)

Georg Büchner - Gesammelte Werke: Dantons Tod, Lenz, Leonce und Lena, Woyzeck, Lucretia Borgia, Maria Tudor (Gesammelte Werke bei Null Papier) (German Edition)

Titel: Georg Büchner - Gesammelte Werke: Dantons Tod, Lenz, Leonce und Lena, Woyzeck, Lucretia Borgia, Maria Tudor (Gesammelte Werke bei Null Papier) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Büchner
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man meint sie sprächen von andern Dingen, aber ich hab’ sie verstanden. Sie ruht auf mir wie der Geist, da er über den Wassern schwebte, eh’ das Licht ward. Welch Gähren in der Tiefe, welch Werden in mir, wie sich die Stimme durch den Raum gießt. Ist denn der Weg so lang? (Geht ab.)
    Valerio : Nein. Der Weg zum Narrenhaus ist nicht so lang, er ist leicht zu finden, ich kenne alle Fußpfade, alle Vicinalwege und Chausseen dorthin. Ich sehe ihn schon auf einer breiten Allee dahin, an einem eiskalten Wintertag den Hut unter dem Arm, wie er sich in die langen Schatten unter die kahlen Bäume stellt und mit dem Schnupftuch fächelt. – Er ist ein Narr! (Folgt ihm.)

Dritte Szene
    Ein Zimmer
    Lena. Die Gouvernante.
    Gouvernante : Denken Sie nicht an den Menschen.
    Lena : Er war so alt unter seinen blonden Locken. Den Frühling auf den Wangen, und den Winter im Herzen. Das ist traurig. Der müde Leib findet ein Schlafkissen überall, doch wenn der Geist müd’ ist, wo soll er ruhen? Es kommt mir ein entsetzlicher Gedanke, ich glaube es gibt Menschen, die unglücklich sind, unheilbar, blos weil sie sind. (Sie erhebt sich.)
    Gouvernante : Wohin mein Kind?
    Lena : Ich will hinunter in den Garten.
    Gouvernante : Aber…
    Lena : Aber, liebe Mutter, du weißt man hätte mich eigentlich in eine Scherbe setzen sollen. Ich brauche Tau und Nachtluft wie die Blumen. Hörst du die Harmonieen des Abends? Wie die Grillen den Tag eingingen und die Nachtviolen ihn mit ihrem Duft einschläfern! Ich kann nicht im Zimmer bleiben. Die Wände fallen auf mich.

Vierte Szene
    Der Garten. Nacht und Mondschein
    Man sieht Lena auf dem Rasen sitzend.
    Valerio : (in einiger Entfernung) Es ist eine schöne Sache um die Natur, sie ist aber doch nicht so schön, als wenn es keine Schnaken gäbe, die Wirtsbetten etwas reinlicher wären und die Totenuhren nicht so in den Wänden pickten. Drin schnarchen die Menschen und draußen quaken die Frösche, drin pfeifen die Hausgrillen und draußen die Feldgrillen. Lieber Rasen, dies ist ein rasender Entschluß.
    (Er legt sich auf den Rasen nieder.)
    Leonce : (tritt auf) O Nacht, balsamisch wie die erste, die auf das Paradies herabsank. (Er bemerkt die Prinzessin und nähert sich ihr leise.)
    Lena : (spricht vor sich hin) Die Grasmücke hat im Traum gezwitschert, die Nacht schläft tiefer, ihre Wange wird bleicher und ihr Athem stiller. Der Mond ist wie ein schlafendes Kind, die goldnen Locken sind ihm im Schlaf über das liebe Gesicht heruntergefallen. O sein Schlaf ist Tod. Wie der tote Engel auf seinem dunkeln Kissen ruht und die Sterne gleich Kerzen um ihn brennen. Armes Kind, kommen die schwarzen Männer bald dich holen? Wo ist deine Mutter? Will sie dich nicht noch einmal küssen? Ach es ist traurig, tot und so allein.
    Leonce : Steh auf in deinem weißen Kleide und wandle hinter der Leiche durch die Nacht und singe ihr das Totenlied.
    Lena : Wer spricht da?
    Leonce : Ein Traum.
    Lena : Träume sind selig.
    Leonce : So träume dich selig und laß mich dein seliger Traum sein.
    Lena : Der Tod ist der seligste Traum.
    Leonce : So laß mich dein Todesengel sein. Laß meine Lippen sich gleich seinen Schwingen auf deine Augen senken. (Er küßt sie.) Schöne Leiche, du ruhst so lieblich auf dem schwarzen Bahrtuch der Nacht, daß die Natur das Leben haßt und sich in den Tod verliebt.
    Lena : Nein, laß mich. (Sie springt auf und entfernt sich rasch.)
    Leonce : Zu viel! zu viel! Mein ganzes Sein ist in dem einen Augenblick. Jetzt stirb. Mehr ist unmöglich. Wie frischathmend, schönheitglänzend ringt die Schöpfung sich aus dem Chaos mir entgegen. Die Erde ist eine Schale von dunkelm Gold, wie schäumt das Licht in ihr und flutet über ihren Rand und hellauf perlen daraus die Sterne. Meine Lippen saugen sich daran: dieser eine Tropfen Seligkeit macht mich zu einem köstlichen Gefäß. Hinab heiliger Becher! (Er will sich in den Fluß stürzen.)
    Valerio : (springt auf und umfaßt ihn) Halt Serenissime!
    Leonce : Laß mich!
    Valerio : Ich werde Sie lassen, sobald Sie gelassen sind und das Wasser zu lassen versprechen.
    Leonce : Dummkopf!
    Valerio : Ist denn Eure Hoheit noch nicht über die Lieutenantsromantik hinaus, das Glas zum Fenster hinaus zu werfen, womit man die Gesundheit seiner Geliebten getrunken?
    Leonce : Ich glaube halbwegs du hast Recht.
    Valerio : Trösten Sie sich. Wenn Sie auch nicht heut Nacht unter dem Rasen schlafen, so schlafen Sie wenigstens darauf . Es wäre ein eben so

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