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George Soros: Gedanken und Lösungsvorschläge zum Finanzchaos in Europa und Amerika

George Soros: Gedanken und Lösungsvorschläge zum Finanzchaos in Europa und Amerika

Titel: George Soros: Gedanken und Lösungsvorschläge zum Finanzchaos in Europa und Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Soros , Steve Clemons
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richtige Politik machen und einen Konsens schmieden – eine schwierige Dreierwette. Im Moment tendieren die G-20-Nationen gemeinsam zur falschen Politik.

AMERIKA BRAUCHT KEINE TUGEND, SONDERN ANREIZE
Financial Times , 4. Oktober 2010
    Das Beharren der Obama-Administration auf steuerlicher Rechtschaffenheit wird nicht nur von der finanziellen Notwendigkeit diktiert, sondern auch von politischen Erwägungen. Die Vereinigten Staaten sind nicht in der Situation der hoch verschuldeten Länder Europas, die saftige Aufschläge auf den Preis bezahlen müssen, zu dem sich Deutschland Geld leihen kann. Die Zinsen auf US-Staatsanleihen sind im Sinken begriffen und stehen in der Nähe von Rekordtiefs, was bedeutet, dass die Finanzmärkte nicht mit Inflation, sondern mit Deflation rechnen.
    Präsident Barack Obama steht politisch unter Druck. Den Amerikanern macht die Anhäufung von Staatsschulden große Sorgen. Der republikanischen Opposition ist es überaus gut gelungen, den Crash 2008 sowie die nachfolgende Rezession und die hohe Arbeitslosigkeit der Unfähigkeit der Regierung zuzuschreiben.
    Aber der Crash 2008 war in erster Linie ein Versagen des Privatsektors. Eigentlich müsste man an den US-Regulierern (und anderen Regulierern) bemängeln, dass sie nicht reguliert haben. Ohne Rettungspaket hätte die Lähmung des Finanzsystems fortbestanden, wodurch die nachfolgende Rezession tiefer und länger geworden wäre. In ähnlicher Weise war auch das US-Konjunkturpaket eine notwendige Maßnahme. Die Tatsache, dass der größte Teil davon für die Stützung des Konsums ausgegeben wurde und nicht für die Korrektur der zugrunde liegenden Ungleichgewichte, ließ sich aufgrund des Zeitdrucks nicht vermeiden.
    Einen Fehler hat die Regierung Obama hingegen in der Art gemacht, wie sie das Bankensystem gerettet hat: Indem sie einen Teil der faulen Vermögenswerte der Banken aufkaufte und sie mit billigem Geld versorgte, half sie ihnen, sich durch Gewinne aus dem Loch zu wirtschaften, in das sie gefallen waren. Auch dies war von politischen Erwägungen geleitet. Effizienter wäre es gewesen, neues Eigenkapital in die Banken zu pumpen, aber der Präsident befürchtete, dann würde man ihm Verstaatlichung und Sozialismus vorwerfen.
    Diese Entscheidung ging nach hinten los und hatte ernste politische Rückwirkungen. Die Allgemeinheit, die mit einem Hochschnellen der Kreditkartenzinsen von acht auf fast 30 Prozent konfrontiert war, sah, dass die Banken Extragewinne einfuhren und große Boni bezahlten. Die Tea-Party-Bewegung nutzt diese Ressentiments aus und Obama befindet sich jetzt in der Defensive. Die Kampagne der Republikaner gegen jegliche weitere Konjunkturpakete und gegen die Regierung ist ein Lippenbekenntnis zur steuerlichen Rechtschaffenheit, auch wenn sie anerkennt, dass es für die Senkung des Defizits noch zu früh sein könnte.
    Ich glaube, es gibt starke Argumente für weitere konjunkturelle Anreize. Zugegeben, man kann den Konsum nicht endlos dadurch stützen, dass man die Staatsverschuldung erhöht. Das Ungleichgewicht zwischen Konsum und Investitionen muss korrigiert werden. Aber die Staatsausgaben in einer Zeit der Arbeitslosigkeit in großem Maßstab zu kürzen, hieße, die Lehren aus der Geschichte zu ignorieren.
    Die Lösung, die auf der Hand liegt, ist die Unterscheidung zwischen Investitionen und laufendem Konsum und die Erhöhung Ersterer bei gleichzeitiger Senkung von Letzterem. Doch anscheinend ist das politisch nicht durchsetzbar. Die meisten Amerikaner vertreten die Auffassung, dass der Staat nicht in der Lage ist, Investitionen zu verwalten, die auf die Verbesserung des physischen und menschlichen Kapitals unseres Landes abzielen.
    Und auch diese Meinung ist nicht ganz unberechtigt: Dass der Staat ein Vierteljahrhundert lang schlechtgeredet wurde, hat zu einem schlechten Staat geführt. Aber die Behauptung, Ausgaben für Anreize seien unweigerlich verschwendet, ist eklatant falsch: Der New Deal hat die Tennessee Valley Authority, die Triborough Bridge in New York und viele öffentliche Versorgungseinrichtungen hervorgebracht, die bis heute in Gebrauch sind.
    Überdies gilt die einfache Wahrheit, dass der Privatsektor vorhandene Mittel nicht einsetzt. Obama ist in der Tat sehr unternehmerfreundlich und die großen Unternehmen arbeiten profitabel. Doch anstatt zu investieren, stocken sie ihre Liquidität auf. Vielleicht könnte ein Wahlsieg der Republikaner ihrer Zuversicht einen Schub verleihen, aber bis dahin

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