Georgette Heyer
Zögern, seinen Antrag anzunehmen,
entspringe dem, was er als ihre «besonders heikle Situation» bezeichnete. Er
sagte, er ehre sie wegen ihrer Gewissensbisse – was sie insgeheim für albern
hielt –, und würde es sich versagen, sie um eine andere Antwort zu drängen, bis
Conway, ihr natürlicher Beschützer, heimkommen würde. Was ihm eine derartige
Idee in den Kopf gesetzt hatte, konnte sie beim besten Willen nicht entdecken,
da sich ihrer Verblüffung nur zwei mögliche Lösungen boten: die erste, daß sie
ihn zwar stark anzog, er jedoch durchaus nicht überzeugt war, sie würde als
seine Gattin zu einem behaglichen Leben beitragen; die
zweite, daß ihm das seine Mutter suggeriert hatte. Mrs. Yardley war eine
farblose kleine Frau, immer seinem Willen untertan, die sich nur in seiner
Gegenwart mild erwärmte. Sie war Venetia gegenüber nie anders als höflich
gewesen, aber Venetia war fest überzeugt, daß sie Edwards Heirat mit ihr nicht
wünschte.
Mit der Neuigkeit einer sehr realen
Hoffnung, daß die Besetzungsarmee bald aus Frankreich abgezogen werden würde,
war für Venetia das Problem der Zukunft plötzlich nahegerückt. Während sie nun
mit ihrem Hund durch den Park von Undershaw wanderte, wälzte sie dieses
Problem immer wieder, aber es hatte nicht viel Zweck, wie sie sich traurig
eingestand. So viel beruhte auf Vermutungen, im besten Fall auf Möglichkeiten.
Das einzig Sichere war, daß Edward, wenn Conway heimkam, eine günstige Antwort
auf seine Werbung erwarten und nicht leicht zu überzeugen sein würde,
irgendeine andere zu akzeptieren. Das war natürlich ihre eigene Schuld, weil
sie zu sehr bereit gewesen war, an dem Aufschub festzuhalten, den ihr seine
seltsame Vorstellung von Schicklichkeit gewährt hatte, und ihm, wenn auch nur
stillschweigend, zuzustimmen, daß nichts entschieden werden konnte, solange
Conway nicht heimkam. Man konnte von Edward kaum Verständnis dafür erwarten,
daß ihre Antwort weitgehend davon abhing, was Conway zu tun beabsichtigte.
Zwischen Conway und Clara Denny hatte eine ziemlich sentimentale Kinderliebe
bestanden, bevor er zur Armee gegangen war, der zumindest Clara Bedeutung
zuzuschreiben schien. Wenn Conway ihr eine gleiche Bedeutung beimaß, würde sie
sich mit einer Schwägerin behaftet sehen, die nur allzu bereit sein würde, die
Führung ihres Haushalts in die Hände von Conways Schwester zu legen, zu der
sie ihr ganzes Leben lang mit demütiger Bewunderung aufgeschaut hatte. Das,
dachte Venetia, wäre sehr schlimm für Clara, aber auch sehr schlimm für mich,
nur glaube ich nicht, daß ich es wirklich über mich brächte, bei der armen
kleinen Clara die zweite Geige auf Undershaw zu spielen!
Eine Ehe mit Edward würde bequem und
etwas Sicheres sein. Er würde ein freundlicher Gatte werden und sie bestimmt
vor unfreundlichen Stürmen schützen. Aber Venetia war mit einem Lebenshunger
geboren worden, der ihm unbekannt war, und einem hohen Mut, der sie instand
setzte, Schicksalsschlägen ins Auge zu blicken und nicht davor zurückzuschrecken,
ihnen zu begegnen. Weil sie nicht über das ihr aufgezwungene abgeschlossene
Leben jammerte, glaubte Edward, sie sei so wie er damit zufrieden, alle ihre
Tage in dem Schatten der Cleveden-Berge zu verbringen. Sie war so sehr alles
andere als zufrieden, daß sie sich nie auch nur vor gestellt hatte, dies
könnte ihr endgültiges Schicksal sein. Sie wollte die übrige Welt sehen – die
Ehe interessierte sie nur als einziges Mittel der Flucht für ein adeliges
Mädchen.
Praktisch genommen, dachte Venetia,
als sie den Park verließ und in einen schmalen Heckenweg einbog, der ihn von
dem Nachbargut Elliston Priory trennte, ist meinem Fall klar und deutlich
nicht zu helfen, und mir bleibt nichts übrig, als mich zu entschließen, ob ich
die Tante für Conways Kinder oder die Mutter für Edwards Kinder werden soll –
und ich habe eine deprimierende Ahnung, daß Edwards Kinder gräßlich langweilig
ausfallen werden, arme kleine Dinger! Wo ist bloß dieser gräßliche Hund wieder?
«Flurryl Hierher, Flurry!»
Nachdem sie mit wachsendem Ärger
ihren Hundefreund gerufen hatte, kam er dahergaloppiert, voll
Liebenswürdigkeit, mit keuchenden Flanken und hängender Zunge. Da er
beträchtlich außer Atem war, war er so nett, in ihrer Sicht zu bleiben, bis sie
nach etlichen hundert Metern den Heckenweg hinunter die Gründe der Priory durch
ein Drehkreuz neben einem schweren Gutstor betrat. Dieses gewährte den Zutritt
zu einem
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