Georgette Heyer
von ihrem Liebhaber
verstoßen und Bonapartes gierigen Soldaten zur Beute gefallen war, womit ihr,
wie die Dorfbewohner nicht verfehlten, ihren irrenden Töchtern vor Augen zu
führen, ganz recht geschah, und was genau das war, was jedem Mädchen zustoßen
muß, das mit seiner Tugend sorglos umgeht.
Was immer die Wahrheit sein mochte,
das eine war sicher: die Dame war nicht bei Damerel, als er einige Jahre später
nach England zurückkehrte. Seit jener Zeit schien er sich – wenn nur die
Hälfte der Geschichten, die über ihn erzählt wurden, stimmte – allen
ausgefalleneren Formen der Zerstreuung gewidmet zu haben, und ging, so hieß es,
ziemlich weit darin, das, was einst ein sehr schönes Vermögen gewesen war, zu
vergeuden und keine Gelegenheit zu versäumen, die sich bot, tun seine Kritiker
zu überzeugen, daß er aber schon ganz genauso schwarz war, wie er gemalt wurde.
Bis zum Vorjahr waren seine gelegentlichen Besuche in der Priory zu kurz
gewesen, als daß der eine oder andere seiner Nachbarn mehr als gerade nur
seiner ansichtig wurde, und selbst das hatten nur sehr wenige erlebt. Aber im
August hatte er eine ganze Woche in der Priory verbracht – unter völlig
unerhörten Umständen. Er war nicht allein gekommen, sondern hatte Gäste
mitgebracht – und was für Gäste! Sie waren natürlich wegen der Rennen gekommen
– Damerel hatte ein Pferd laufen. Der arme Imber, der alte Butler, der seit
Jahren Hausverwalter der Priory gewesen war, geriet in größte Betrübnis – noch
nie war eine derart freche zusammengewürfelte Bande in der Priory zu Gast gewesen!
Was Mrs. Imber betraf, hatte sie, sowie sie entdeckte, man erwartete von ihr,
für mehrere lärmende Stutzer und für drei Frauenzimmer zu kochen, denen sie
beim ersten Blick ansah, was sie waren, ihre Absicht erklärt, eher die Priory
zu verlassen als sich derart entwürdigen zu lassen ... Nur ihre Ergebenheit
der «Familie» gegenüber hatte vermocht, daß sie nachgab, und das hatte sie
noch bitterlich zu bereuen, als nicht ein Dorfbewohner es seinen Töchtern
erlauben wollte – wie nicht anders zu erwarten –, in einem Haus zu arbeiten,
das nur wenig besser als ein Korinth war, und man hatte in York drei alles
andere als respektable Frauenzimmer aufnehmen müssen, die den Dienst bei der
liederlichen Gesellschaft versahen. Was die Vergnügungen dieser verwegenen
Gesellen und ihrer Bettschätzchen betraf, mußte sich, erklärte Imber, Seine
verewigte Lordschaft im Grab umgedreht haben angesichts derart liederlicher
Vorgänge auf seinem Ahnensitz. Wenn sich die Gäste nicht vulgärem Herumtoben widmeten, wie etwa dem
Spiel Hunt the Squirrel, mit diesen schamlosen lockeren Frauenzimmern,
die quietschten, daß es die Deckenbalken zum Einsturz bringen konnte, und die
die Herren dazu aufreizten, sich in sehr skandalöser Art zu benehmen,
verwandelten sie das Haus in eine Spielhölle und tranken den Keller
staubtrocken. Es war nicht einer darunter, den nicht sein Kammerdiener hätte
zu Bett bringen müssen, und daß Mylord Utterby – bei dem eine Schraube locker
war, wie es Imber noch nie erlebt hatte! – die Priory nicht bis auf den Grund
niederbrannte, war nur dem Zufall zu danken, der den Brandgeruch zu den Nüstern
der Besonderen von Mr. Ansford getragen hatte. Die hatte keine Gewissensbisse,
diesem Brandgeruch bis zu seiner Quelle nachzugehen, obwohl sie nur in ihr Nachtgewand
gehüllt war – nicht, daß dies eine dezentere Hülle für ihre üppige Gestalt
gewesen wäre als das Kleid, das sie früher am Tag getragen hatte! –, und sie
hatte die glimmenden Bettvorhänge heruntergerissen und dabei die ganze Zeit
mit ihrer sehr unaristokratischen Stimme aus Leibeskräften gekreischt.
Diese Orgien hatten sieben Tage
gedauert, aber sie hatten die Umgebung mit Nahrung für Klatsch versorgt, der
Monate vorhielt.
Weiteres hatte man jedoch nicht mehr
von Damerel gehört. Dieses Jahr war er nicht zu den Yorker Rennen
heraufgekommen, und falls er nicht vorhatte, später zur Fasanenjagd zu kommen,
was – nach dem vernachlässigten Zustand seiner Wildgehege zu schließen –
unwahrscheinlich schien, konnte sich North Riding für ein weiteres Jahr frei von
seiner ansteckenden Anwesenheit halten. Für Venetia, die heiteren Gemüts ihren
Korb mit Damerels Brombeeren füllte, war es daher eine große Überraschung, als
sie entdeckte, daß er viel näher war, als irgendein Mensch vermutet hätte.
Sie war den Waldrand entlang gegangen und stehengeblieben, um
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