Georgette Heyer
sah, wie sich sein Gesichtsausdruck veränderte; in
seine Augen trat ein aufmerksamer Blick, und ein harter Zug legte sich um
seinen Mund. Plötzlich begann sie sich zu fürchten. «Bitte sei nicht böse», bat
sie atemlos. «Ich verspreche, es nie wieder zu tun.»
«Willst du
damit sagen, daß du es im Spiel verloren hast?»
Sie ließ
den Kopf wieder traurig hängen. Nach einer Pause sagte er: «Ich hätte ja wissen
müssen, daß es dir im Blute liegt!»
«Nein,
nein! Das ist wirklich nicht wahr!» rief sie mit leidenschaftlicher
Aufrichtigkeit. «Es sah bloß so prüde und dumm aus, als alle andern spielten,
nicht auch zu spielen, und dann verlor ich ... und ich dachte, das Glück würde
sich vielleicht wenden ... aber das war nicht der Fall, und so ...»
«Du
brauchst mir nicht mehr zu sagen», unterbrach er sie. «Es gab noch keinen
Spieler, der nicht glaubte, das Glück müsse sich wenden.» Er sah sie
stirnrunzelnd an und fügte in ruhigerem Ton hinzu: «Es widerstrebt mir sehr,
Nell, Schritte zu unternehmen, die es dir völlig unmöglich machen, etwas
anderes zu spielen als Silberloo oder Foule. Aber ich warne dich, ich werde
meiner Frau nie gestatten, eine von Faros Töchtern zu werden.»
«So? Ich
weiß zwar nicht genau, was das ist», sagte sie naiv, «ich werde es aber
bestimmt nicht wieder tun, also bitte, veranlasse nichts Abscheuliches.»
«Also gut»,
erwiderte er und sah sich die Rechnungen auf seinem Schreibtisch an. «Ich werde
diese Rechnungen hier begleichen und auch alle andern, die du vielleicht noch
hast. Willst du sie mir, bitte, herbringen?»
«Jetzt?»
stotterte sie, während sie sich voll Entsetzen einer Schublade erinnerte, die
mit unbezahlten Rechnungen vollgestopft war.
«Ja,
jetzt.» Und lächelnd fügte er hinzu: «Weißt du, es wird dir nämlich bedeutend
leichter ums Herz sein, wenn du damit reinen Tisch machst.»
Dem stimmte
sie bei, doch als sie ihm bald darauf ein Bündel zerdrückter Rechnungen
übergab, war ihr keineswegs leicht ums Herz. Man konnte nicht leugnen, daß sie
in betrüblicher Weise verschwenderisch war. Da der jungen Frau das Nadelgeld,
das Cardross ihr ausgesetzt hatte, so ungeheuer reichlich erschienen war –
weil sie außer über eine winzige Summe, die sie als Taschengeld von ihrem Papa
erhielt, bisher nie über eine größere Summe verfügte –, hatte sie in dem Gefühl,
grenzenlose Mittel zu besitzen, völlig sorglos alles eingekauft, was ihr
gefiel. Doch jetzt, als sie mit ansehen mußte, wie Mylord dieses schreckliche
Bündel durchblätterte, meinte sie, sie müsse verrückt gewesen sein, soviel Geld
so sinnlos vergeudet zu haben.
Einige
Minuten las er unbewegten Gesichts, doch plötzlich furchte er die Stirn und
sagte: «Eine goldene Schnupftabaksdose, zweifarbig, in Grisaille-Malerei?»
«Für
Dysart!» erklärte sie ängstlich.
«Oh!» Er
setzte sein Studium der sie belastenden Rechnungen fort. Beklommen sah sie, wie
er wieder ein solches Beweisstück aufhob, das als Briefkopf den Namen ihrer
bevorzugten Schneiderin in eleganter Arabeskenverzierung trug. Er sagte jedoch
nichts, und es gelang ihr, wieder etwas freier zu atmen. Doch einen Moment
später las er laut vor: «Singvogel samt Kästchen, mit türkisblauer Emailarbeit
verziert – was zum Teufel ...?»
«Das ist
eine Spieldose», erklärte sie mit zitternder Stimme. «Für die Kinder ... ich meine
für meine Schwestern.»
«Aha, ich
verstehe», sagte er und legte die Rechnung beiseite.
Und wieder
hoben sich ihre Lebensgeister, nur um einen Augenblick nachher neuerlich zu
sinken, denn der Earl rief: «Du guter Gott!» Sie spähte mit Zittern und Zagen
zu ihm hinüber, um zu sehen, was diesen erschrockenen Ausruf verursachte, und
bemerkte, daß er ein anderes ebenfalls mit Arabesken verziertes Blatt in der
Hand hielt. «Vierzig Guineen für einen einzigen Hut?» fragte er ungläubig.
«Ich
fürchte, er war ein bißchen teuer», gestand sie. «Aber ... er hat drei sehr
schöne Straußfedern, weißt du? Du ... du sagtest, er gefällt dir», fügte sie
verzweifelt hinzu.
«Dein
Geschmack ist immer unfehlbar, meine Liebe. Gefielen mir auch die andern acht
Hüte, die du kauftest? Oder habe ich sie bisher noch nicht zu sehen bekommen?»
Sie
stammelte: «Acht, Giles? Es waren doch bestimmt nicht acht?»
Er lachte.
«Acht! Ach, schau doch nicht so entsetzt drein. Ich glaube selbst, daß du alle
sehr dringend brauchtest. Vierzig Guineen sind bestimmt ein wenig übertrieben,
aber ich bin
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