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Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lady April
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Blick auf ihr ruhten. Nein, Mama hegte diesen Verdacht
nicht. Mama war zwar sehr sensibel, sie wußte aber auch, daß die Ehe mit
Romantik nichts zu tun hatte. Sie hatte in der ständigen Angst gelebt, daß
Nell, wie sie ihr später anvertraute, einen Mann werde heiraten müssen, den
sie nicht lieben konnte. Sie war jedoch überzeugt, daß Nell einen so charmanten
und schönen Gentleman, wie es Cardross war, gern haben mußte. Überdies bestand
kaum ein Zweifel, daß er seiner Braut in herzlicher Zuneigung ergeben war. Er
hatte Lady Jersey an jenem denkwürdigen Abend tatsächlich gebeten, ihr
vorgestellt zu werden. Und etwas später, als er um ihre Hand anhielt, machte
er Papa gegenüber Bemerkungen, die alle mütterlichen Befürchtungen
zerstreuten. Nell würde von ihm stets nur Höflichkeit und Rücksichtnahme zu gewärtigen
haben.
    Es war Nell
– ganz ihrer Liebe hingegeben – unmöglich erschienen, daß Cardross nur um sie
angehalten haben könnte, weil sie recht hübsch war, von guter Familie, und ihm
besser gefallen hatte als eine der andern jungen Damen, die vor seinen
kritischen Augen paradierten. Doch Mama hatte recht behalten. Als Nell seine
Halbschwester, gleichzeitig Mylords Mündel, kennenlernte, eine äußerst lebhafte
Brünette, die noch nicht in die Gesellschaft eingeführt worden war, jedoch
hoffte, von ihrer Schwägerin vorgestellt zu werden, hatte das impulsive
Edelfräulein, während sie Nell herzlich umarmte, ausgerufen: «Oh, wie hübsch du
bist! Viel schöner als Giles' Mätresse! Wie herrlich wäre es, wenn du sie
ausstechen könntest!»
    Es war ein
entsetzlicher Schock gewesen, doch Nell hatte sich nicht verraten, was
allerdings nur ein geringer Trost war. Sie war sogar dankbar, daß man ihr die
Wahrheit gesagt hatte, bevor sie sich lächerlich gemacht, indem sie der Welt
ihr Herz offenbarte, oder dem Earl lästig und langweilig geworden war, indem
sie sich in verliebter Weise an ihn hängte, was, wie sie in einer kurzen Saison
gelernt hatte, von der ton angebenden Gesellschaft keineswegs als korrekt
betrachtet wurde. Was aber die Möglichkeit betraf, Lady Orsett auszustechen –
es hatte sie nicht viel Mühe gekostet, die Identität von Mylords Mätresse
herauszufinden –, so gehörte dieser Ehrgeiz, ebenso wie ihre früheren Träume,
eben nur in ein Traumreich. Und heute befand sie sich weiter denn je von diesem
Ziel entfernt, als Mylord von ihr wegen ihrer Schulden Rechenschaft forderte.
    «Sag mir
die Wahrheit, Nell!»
    Seine
freundliche, jedoch unmißverständlich gebieterische Stimme rief sie aus ihren
einander überstürzenden verworrenen Gedanken zurück. Es war aber doch
unmöglich, ihm die Wahrheit zu gestehen, denn selbst wenn er ihr den Ungehorsam
verzieh, war es höchst unwahrscheinlich, daß er auch Dysart verzeihen würde,
für den es in seinen Augen keinerlei Entschuldigung gab. Und wenn er es
ablehnte, Dysart je wieder aus einer seiner Schwierigkeiten zu helfen, und es
ihr gleichfalls unmöglich machte, was würde dann aus Dysart werden und auch
aus ihrem armen Papa? Vor nicht zu langer Zeit hatte er ein wenig grimmig
gesagt, der beste Dienst, den er Dysart erweisen könne, wäre es, ihm ein Offizierspatent
zu kaufen und ihn auf die Pyrenäische Halbinsel zu schicken, um sich dort der
Armee Lord Wellingtons anzuschließen. Und es war nur zu wahrscheinlich, daß er
genau das tun würde, wenn ihm dieses neuerliche Mißgeschick zu Ohren käme. Es
gab auch kaum einen Zweifel, daß Dysart dieses Anerbieten mit beiden Händen
ergreifen würde, denn er hatte sich immer eine militärische Laufbahn gewünscht.
Aber der arme Papa hatte sich geweigert, diese Möglichkeit auch nur zu diskutieren,
während sich sein nächstältester Sohn noch als Schuljunge in Harrow befand. Und
Mama hatte bei dem bloßen Gedanken, daß ihr geliebter Erstgeborener den
Gefahren und Schrecknissen eines Feldzuges ausgesetzt werden könnte, eine ganze
Serie ebenso qualvoller wie beängstigender Krämpfe erlitten.
    Nein, die
Wahrheit konnte sie ihm nicht gestehen. Wie sollte man aber für die dreihundert
Pfund Rechenschaft ablegen, wenn man keine Rechnung vorzuweisen vermochte? Lord
Pevenseys Tochter hätte sich über dieses Problem nicht länger als einige
Sekunden den Kopf zerbrechen müssen: denn wenige wußten besser Bescheid als
eine Irvine, wie Geld zerrinnen konnte, ohne die geringste Spur zu
hinterlassen. «Es war nicht Dysart», sagte sie rasch. «Es tut mir leid, aber
ich war es selbst!» Sie

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