Gequält
legte die Schlüsselringe in den Karton zurück und ließ sich zum Pausenzimmer führen. Katta setzte sie auf einen Stuhl und holte zwei Tassen.
»Meine Mutter ist jetzt im Heim«, sagte sie und nahm Margit gegenüber Platz. »Es blieb uns nichts anderes übrig, sie kam nicht mehr allein zurecht.«
Margit nickte geistesabwesend, pustete in ihre Tasse und nippte dann vorsichtig.
»Jetzt haben mein Bruder und ich das Haus in Torekov den ganzen Sommer für uns. Wir können schließlich nicht verkaufen, solange Mutter noch lebt.«
Margit nickte.
»Ich wollte dich fragen, ob du nicht Lust hast mitzukommen. Vielleicht jetzt am Wochenende?«
»Wie bitte?«
Die Worte prallten gegen Margits Trommelfelle, und nur mit Mühe gelang es ihr, ihnen einen Sinn abzugewinnen.
»Wir können eine Kleinigkeit essen gehen und uns die anderen Sommergäste ansehen«, meinte Katta. »Vielleicht können wir auch einen Ausflug nach Hallands Väderö unternehmen und uns die Seehunde ansehen. Du kannst gerne übernachten.«
Katta lächelte einschmeichelnd. Margit spürte, wie es juckte.
»Das ist lieb von dir«, erwiderte sie. »Aber ich glaube, ich bin zu müde.«
87
Sara Vallgren schlenderte zwischen den Tischen herum und begrüßte ihre Gäste. Sie vergewisserte sich, dass alle zufrieden waren, verteilte Wangenküsschen, lächelte. Der Prozess hatte ihr einen vorübergehenden Ruhm eingetragen, und ihre Anwesenheit brachte einen gewissen Glamourfaktor mit sich. Die Aufmerksamkeit war berauschend, aber ebenso flüchtig wie alle anderen Drogen, das wusste sie. Es galt, den Augenblick zu genießen, aber auch wieder loszulassen.
Sie warf ein Auge auf die Show. Die Mädchen sahen gut aus und konnten tanzen. Als Zwischeneinlage trat ein fähiger Zauberer auf. Und die Mädchen, die er zersägte und herbei- und wegzauberte, hatten immerhin den Vorzug, barbusig zu sein.
Sara ging ins Obergeschoss und betrat eines der VIP-Zimmer, in dem Odense wartete. Er stand an einem der verspiegelten Fenster und sah sich die Show an.
»Tut mir leid, dass du warten musstest«, sagte Sara.
»Kein Problem.«
Sara deutete auf die Sitzgruppe, und sie nahmen Platz.
»Möchtest du was trinken?«
»Nein danke.«
Wohlhabendere Gäste konnten die VIP-Zimmer für eine groteske Summe mieten und sich von den kichernden Frauen, die auf der Bühne auftraten, Gesellschaft leisten lassen. Das Obergeschoss hieß Las Vegas, weil niemand erfuhr, was dort geschah. Der Name war Mattes Idee gewesen. Sara fand ihn plump, aber den verwöhnten Blagen, die mit dem Geld ihrer Väter für die Dienste bezahlten, gefiel er. Die Väter zahlten im Übrigen ebenfalls in regelmäßigen Abständen für ihren Aufenthalt in Las Vegas. Väter und Söhne, die sich für Geld mit anderen Müttern und Töchtern verlustierten.
»Tolles Lokal«, sagte Odense.
»Danke«, meinte Sara. »Was machen wir mit deinem?«
Odense war immer noch geschmeichelt, dass sie ihm Verantwortung übertragen und zu einem legalen Einkommen verholfen hatte. Er war jetzt Chef, Geschäftsführer mit Angestellten, für deren Löhne er zuständig war. Auf dem Papier gehörte ihm das Lokal, aber jeden Monat wurde eine von den Einnahmen abhängige Pacht an Saras Firma gezahlt.
»Vielleicht wird es nicht ganz so schick wie hier«, meinte er und deutete auf die Vorstellung auf der Bühne, »aber es lässt sich einiges verbessern.«
»Zu schnieke sollte es auch nicht werden«, meinte Sara. »Das Liederliche hat auch Appeal. Wann fangt ihr an?«
»Ich rede morgen mit den Handwerkern.«
Sara nickte anerkennend.
»Gut«, sagte sie und erhob sich.
Odense war sofort auf den Beinen, Sara schaute auf die Uhr.
»Ich mache mich jetzt auf den Heimweg«, meinte sie. »Die letzten Tage ist es spät geworden, aber bleib du noch, rede mit den Mädchen. Ich will, dass du die Namen aller kennst, die hier arbeiten. Früher oder später übernimmst du sie ja.«
Sie klopfte ihm leicht auf die Brust.
»Willkommen.«
88
Åsa Malmberg wählte die alte Strecke nach Hause, den Umweg. Ironischerweise, um einen klaren Kopf zu bekommen und Kraft für das zu sammeln, was immer wiederkehrte, Tag für Tag. Sie wählte den alten Weg nach Hause, und da kam er tatsächlich. Vielleicht war es sein Lächeln. Er erkannte sie, wusste, wer sie war. Er lächelte überlegen, als wollte er ihr sagen, dass sie doch nichts tun konnte. Er trat sogar einen Schritt auf die Straße, um seine Macht zu demonstrieren: Du musst anhalten, ich zwinge dich
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